© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

„Wir müssen Widerstand leisten“
Kirchen: Der Kongreß „Freude am Leben“ des Forums Deutscher Katholiken refl ektiert die Lage des Christentums und stellt der Union ein schlechtes Zeugnis aus
Hinrich Rohbohm

Es war eine ganz persönliche Erfahrung, die ein Rentner aus  Recklinghausen beim Kongreß des Forums Deutscher Katholiken im Esperanto-Kongreßzentrum von Fulda am Frühstückstisch zum besten gab: die Geschichte über seinen vergeblichen Versuch, in der Kleinstadt Malchin in Mecklenburg-Vorpommern ein 3,80 Meter hohes Kreuz in der Nähe einer Ferienanlage aufzustellen.

„Zunächst stellte sich die Stadtverwaltung quer“, beginnt er zwischen Kaffee, Brötchen und Marmelade  zu erzählen. Schließlich brauche er für ein solches Objekt eine Baugenehmigung, hieß es. Und die wolle ihm die Stadt für dieses religiöse Symbol nicht erteilen. Doch der Rentner ließ nicht locker. Er fand heraus, daß erst ab einer Höhe von vier Metern eine  Baugenehmigung erforderlich sei.

„Und mein Kreuz war ja nun einmal nur 3,80 Meter hoch“, erzählt er mit  einem zufriedenen Gesichtsausdruck über seinen kleinen Sieg über die  Bürokratie. Ob er sein Kreuz denn nun errichten konnte? „Nein“, sagt der  engagierte Katholik. Die Leute von der Feriensiedlung wollten kein christliches Symbol vor ihrer Haustür. Die Siedlung gehört übrigens dem katholischen Kolpingwerk.

Die Erfahrung des Rentners paßt in die rauhe politische Großwetterlage, der sich Christen in Europa derzeit ausgesetzt sehen. Das machte auch der als Redner zum Kongreß „Freude am Glauben“ (JF 35/10) geladene Kardinal Joachim Meisner deutlich. Er nimmt sein umgehängtes silbernes Kreuz in die Hand,  streckt es seinen Zuhörern entgegen. „80 Prozent aller religiös verfolgten Menschen sind Christen“, verdeutlicht er die schwierigen Bedingungen. Drohe auch in Europa einem Christen zukünftig der Tod? „Sicher nicht“, sagt der Kardinal. Aber man müsse  inzwischen mit „polemischer Kritik“ und „beruflichen und gesellschaftlichen Zurücksetzungen“ rechnen.

Meisner nennt Beispiele: etwa den italienischen Politiker Rocco Buttiglione, der vor sechs Jahren als Vizepräsdent der Europäischen Kommission und Kommissar für Justiz, Freiheit und Sicherheit vorgesehen war. Weil er sich ablehnend zur Homosexualität äußerte, wurde er von einem  EU-Ausschuß abgelehnt.

Meisner führt den Marsch der 1.000 Kreuze in Berlin an, bei dem linke Gegendemonstranten eine Bibel in Flammen setzten. „In Deutschland  zündet man wieder Bücher an“, entlarvt der Kölner Erzbischof das Verhalten (siehe Seite 4). Meisner spricht mit Leidenschaft. Mal hebt er mahnend die Hand, mal bewegt er die Hände in Richtung seines Kopfes, legt sich beide Zeigefinger an die Stirn – so, als wollte er mit seinen Gesten sagen: Ist Europa denn vollkommen wahnsinnig geworden?

Daß in Deutschland Moscheen gebaut würden, während etwa in der  Türkei der Bau von Kirchen behindert werde, sei nicht zu akzeptieren. In bezug auf die von der Türkei in Aussicht gestellte Wiederzulassung von Gottesdiensten in der St.Paulus-Kirche von Tarsus hoffe er zwar. Jedoch sei er, was die tatsächliche Umsetzung angehe, skeptisch. Zudem arbeite die EU mittlerweile gegen das Christentum, ist Meisner überzeugt. Der Mensch werde auf eine biologische Einheit reduziert.

Meisners Rede kommt an. Als er sie beendet, stehen die  Kongreßteilnehmer auf, applaudieren minutenlang dem Kardinal. Es ist ihr Kardinal. Denn vom Zentralkomitee der Katholiken fühlt sich kaum einer der Anwesenden noch angemessen vertreten. Besonders die mangelnde Solidarität für Bischof Walter Mixa nimmt das Forum der katholischen Kirchenführung um Robert Zollitsch übel.

Und von der Politik ist man schon seit langem bitter enttäuscht. So  ist der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis auch nicht zu beneiden, als er bei einer Podiumsdiskussion den Unmut der Forums-Katholiken zur Kenntnis nehmen muß. „Bringen Sie sich ein, treten Sie in die Parteien ein. Wenn sie mit zehn Leuten in einen Ortsverband eintreten, können Sie etwas bewirken“, appelliert der Politiker. Betretenes Schweigen – zu lange und zu oft ist man vor allem von der Union enttäuscht worden.

„Ich habe dazu eine andere Meinung“, sagt Sachsen-Anhalts ehemaliger Ministerpräsident Werner Münch, der ebenfalls auf dem Podium dabei ist. Die CDU sei inzwischen nicht mehr das, was sie mal war, christliche Positionen würden von ihr kaum noch aufgegriffen, erklärt der ehemalige Christdemokrat, der im vergangenen Jahr aufgrund der  Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel und insbesondere deren Papst-Schelte die Partei verlassen hatte. Donnernder Applaus. Immer wieder wird die Forderung nach einer neuen Partei laut. „Wir müssen Widerstand leisten“, ruft jemand in den Saal.

Der Rentner aus Recklinghausen leistete auch Widerstand. Weil er sein Kreuz nicht aufstellen durfte, ließ er auf einem Findling einen christlichen Spruch eingravieren und plazierte ihn an dem Ort, wo das Kreuz nicht stehen durfte. „Daran stört sich bis heute keiner“, sagt er und lacht. Er hat Freude am Glauben.

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