© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/10 03. September 2010

Protest gegen „Stuttgart 21“
Ohnmächtiger Zorn
von Michael Paulwitz

Nein, die anhaltenden Proteste in der Schwaben-Metropole gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ sind nicht die Fortsetzung des Hamburger Aufstands gegen die Schulreform. Zwar richtet sich die Wut der Bürger hier wie dort gegen die Arroganz der Macht, mit der Fehlentscheidungen gegen jede Kritik und Vernunft durchgedrückt werden sollen. Aber es ist ein ohnmächtiger Zorn, dem kein legitimes Mittel zur Korrektur mehr offensteht.

Ohnmacht lädt zum Mißbrauch ein. Selbst dem baden-württembergischen Verfassungsschutz ist aufgefallen, was die wehenden DKP- und „Antifa“-Fahnen auf den rituellen Demonstrationen schon lange nahelegen: Der Bürgerprotest wird mehr und mehr von linksextremen Krawallprofis ausgenutzt und überlagert. Das äußert sich in überzogenem Verbalradikalismus, Übergriffen gegen Personen und Sachen und sich häufenden Rechtsbrüchen, Besetzungen und Blockaden.

Dieser Befund spricht gleichwohl für mehr direkte Demokratie und nicht dagegen. Wer sich dem unmittelbaren Votum der Bürger stellen muß, ist gezwungen, seine Vorhaben sorgfältiger und besser zu begründen und früher auf berechtigte Einwände einzugehen. Und wo die Bürger mitentscheiden, statt protestierend am Rande zu stehen, haben Extremisten und Ideologen einen schweren Stand – siehe Hamburg.

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