© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/10 27. August 2010

Groß war nicht nur sein Attribut
Der Berliner Emeritus Gerd Heinrich widerlegt in seiner Biographie des Preußenkönigs Friedrichs II. negative Urteile der „kritischen“ Geschichtsschreibung
Manfred Backerra

Friedrich der Große gilt – mehr als Otto der Große und Karl der Große, den wir uns mit den Franzosen teilen – als der große deutsche Herrscher. Der emeritierte Preußen-Forscher Gerd Heinrich, Autor einer formidablen „Geschichte Preußens“ (1981/84), zeigt, warum. Sein lebendiges Bild des Menschen und Herrschers widerlegt durch Fakten manch negatives Urteil.         

Friedrich hätte nach seiner zerrissenen Jugend das Zerrbild eines Menschen und Herrschers werden können. Doch seit seiner harten Arbeit in der Verwaltung, dann als pflichtbewußter Regimentskommandeur und im anregenden Rheinsberger Freundeskreis war Friedrich ein gewinnender, auch übermütiger junger Mann, der sich zugleich einzigartig intensiv auf seine Herrscherrolle vorbereitete. „Er wühlte sich in Staatsgeschichten, Dichtungen und in die europäischen Philosophien und Reformschriften hinein.“ Aristoteles, Cicero, Marc Aurel, Montesquieu leisteten ihm lebenslang Hilfestellung. Sein Wissen verarbeitete er in Briefen und Aufsätzen (wie dem „Antimachiavell“). Schon der Neunzehjährige war sich über Preußens Staatsräson klar. Er erkannte rasch das Wesentliche und war treffsicher im Urteil. Er nahm jeden ernst, der etwas zu bieten hatte, gleich welchen Standes oder Ranges.

Als König stützte sich Friedrich 1740 von Beginn an klug auf die Mitarbeiter seines Vaters. Die Generalität bat er, als „ihr getreuer Kamerad“ darauf zu sehen, daß die Armee tapfer und zugleich menschlich sei. Den Ministern schärfte er ein, ab sofort seien die Interessen des Königs und des Landes eins: „Ich sehe mein Interesse nur in dem, was zur Erleichterung des Loses meines Volkes und zu seinem Glück beitragen kann.“

Die erste Huldigungsreise in nur drei Wagen mit kleiner Eskorte war „nützlich, schnell und redlich“. Ein Rundschreiben nannte den Amtsträgern seine lebenslange Erwartung: „Knappe Berichterstattung, schnelle Erledigung aller Eingänge, sorgsame Nachprüfung aller Bausachen und der zu regulierenden Schadensfälle, Ausgleich der Kassenrückstände im Rahmen des je eigenen Haushalts (!), Einwanderung und nicht Auswanderung, keine Verschwendung der Steuergelder mit überflüssigen Repräsentationen, Lob und Orden für die Tüchtigen, Tadel und Entlassung für die Faulen und Unredlichen.“

Was er forderte, lebte der „erster Diener des Staates“ 46 Jahre lang vor als Staatsoberhaupt, Gesetzgeber, oberster Gerichtsherr, Regierungschef, Oberster Befehlshaber und Feldherr. Amtsträger in Berlin, in den Provinzen, in den Städten und Dörfern waren „bis zum letzten Bürgermeister und Stadtschreiber (...) kaum mehr als 5.000 Personen, grob gerechnet 0,1 Prozent der Bevölkerung“. Sie handelten selbständig. Doch jährlich über 3.000 Eingaben, viele Inspektionsreisen, Berichte, Statistiken, seine wißbegierigen Fragen und sein Gedächtnis zeigten ihm, wo er zu korrigieren und zu gestalten hatte. So bewältigte er eine immense Landesentwicklung durch Landgewinnung, Neusiedlung, Flurbereinigung, Verbesserung von Feld- und Viehwirtschaft, Kanalbau, Ausbau von Gewerbe, Industrie und Handel, Verbesserung der Verwaltung und des Schulwesens. Ab 1772 hob er in „Herkulesarbeit“ die ehemals polnischen Gebiete auf preußisches Niveau, ohne damit die teilweise polnischen Untertanen germanisieren zu wollen. Er schuf ein solides Münzwesen. Beispielgebend waren die Verbesserung der Rechtssicherheit und das Humanisieren des Strafrechts durch verhältnismäßige Strafen, Verbot von Verstümmelungen und Folter. Das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten (ALR), als Teilentwurf 1784 erschienen, brachte langwirkend einklagbares Zivilrecht und eine Art Verfassung.

Die Eroberung Schlesiens war zwar primär der Ruhmsucht und der Gunst der Stunde geschuldet. Der zweite Schlesische und der Siebenjährige Krieg galten aber der Selbstbehauptung. Immer gegen stärkere Armeen kämpfend, siegte er glorios, unterlag aber auch durch eigene Fehler. Er obsiegte, weil er als Feldherr überlegen und seinen Soldaten Vorbild war, weil er unbeugsam und mit Fortüne durchhielt und weil sein Staat militärisch und ökonomisch so „bis zur Vollkommenheit gebracht“ war, wie selbst die Wiener Verlierer urteilten.

So verhalf er mit Geld, Steuererleichterungen, durch Menschen und Pferde der fast halbierten Armee sowie durch Öffnung der Magazine den verheerten Gebieten zum zügigen Wiederaufbau. 1778 sicherte er mit einer raschen Militäraktion ohne Schlacht Preußens Stellung im Reich.

Friedrich diente auch in wenigen Mußestunden dem Amt: „Mit Studien will ich mich vergnügen (...) sie mildern den Sinn und sie bewirken (…), daß alles, was die Herrschergewalt an Härte mit sich bringt, sich mit Philosophie und Duldsamkeit zu einer Mischung paart, deren es bedarf, wenn man Menschen regieren will, die nicht vollkommen sind, und wenn man selbst dabei nicht vollkommen ist.“ Doch er war auch sorgender Pater familias und Freund: seiner Frau (trotz getrennten Haushalts), seinen Geschwistern und Verwandten sowie seinen geistigen Freundinnen und Freunden. Heinrichs Studie und Chronologie bilden ein lehrreiches und packendes Kompendium über den ganzen Friedrich den Großen, das im Kontrast zu allzu kritischen Biographien steht.

Gerd Heinrich: Friedrich II. von Preußen. Leistung und Leben eines großen Königs. Duncker & Humblot, Berlin 2009, gebunden, 504 Seiten, Abbildungen, 39,90 Euro

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