© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/10 27. August 2010

DVD: Neo Rauch
Andacht
Sebastian Hennig

Auf dem New Yorker Museumsparkett bewegt sich Neo Rauch in betont aufrechter Haltung und mit sichernden Blicken, wie ein Sprengmeister im verminten Gelände. Es ist der ungleiche und unvermeidliche Kampf der One-Man Shows des Kunstbetriebs, mit denen nicht nur Werke, sondern auch der Künstler als Persönlichkeit offeriert wird: alle Zuschauer gegen(über) einem Künstler.

„Hey Paps, ich bin im Met!“ Diese Botschaft will ein amerikanischer Sammler in einem Bild entdecken. „Ein großer Maler. Einfach großartig.“ Kurios mutet die fast sakrale Andacht des Sammlerehepaars Rubell an. Inmitten solcher Spannungen muß sich der Künstler vorsichtig und listig bewegen. Ein paar Sätze des Provinzgenies über die beeindruckende Metropole am Hudson sind da eine Frage des Takts. Bis 1989 hatte er ein weites Übungsfeld, um jetzt mit solcher Umgebung mühelos fertigzuwerden. Es war das gleiche Trainingslager, das auch der Bundeskanzlerin zu ihrer Geschmeidigkeit verholfen hat.

Als Neo Rauch im Atelier in Leipzig dem unsichtbar und meist auch unhörbar bleibenden Filmemacher gegenübersitzt, wirkt er entspannter. Dennoch sind seine Sätze stets durch Ironie abgesichert, so wenn die „tellurischen Kräfte“ der Tieflandsbucht als Voraussetzung des Schaffens gerühmt werden. In der Toskana hat er sich zwar wohlgefühlt, „aber das war nicht der Ort und ist nie der Ort gewesen, an dem ich eine Inspiration empfing. Und ich scheue mich nicht, diesen altmodischen Begriff ins Spiel zu bringen.“

Er lokalisiert selbst seinen Lebensraum präzise im Gegensatz zu dessen vorübergehender ideologischer Etikettierung. „Ich komme einfach aus Mitteldeutschland. Das war eine Region, die von der ehemaligen DDR in Beschlag genommen wurde.“ Der Kunsthistoriker Werner Spies dagegen wird zu dem bezeichnenden Geständnis verleitet, der Künstler komme „aus einer Ecke Deutschlands, die wir in unserem Bewußtsein abgeschaltet hatten, die es gar nicht mehr gab“. Und die Stimme des Kommentators bemerkt zu den fahlen Gestalten auf den Bildern um 1993: „und natürlich denkt man an DDR“. Eine bessere Folie als die pathetische Dümmlichkeit dieses Sprechers hätte man den Äußerungen Rauchs nicht unterlegen können, um sie fast weise erscheinen zu lassen.

Zu einem anderem Gemälde wird ausgeführt: „Obwohl niemand gefoltert wird, denkt man ständig an Folterungen und an die Zeilen des Dichters Paul Celan von dem ‘Tod in den Lüften’, womit der Tod in den Gaskammern gemeint war.“ Viele Bilder Rauchs mögen kritikwürdig sein, was er aber hier sagt, ist durch die Notwehr gerechtfertigt. So verteidigt er sich wortreich gegen die „Politkommissare der Generation Golf“ die ihm ankreiden, daß er sich nicht als „globalisiertes Malinstitut“ versteht. Werner Spies eiert in dieser Frage weiter herum, indem er erst die konservative Haltung des Malers lobt und dann feststellt: „Ich finde überhaupt nicht, daß Neo Rauch konservativ ist.“ Die Antwort macht die Dummheit der unbekannten vorangegangenen Frage hörbar.

Die DVD mit dem 43minütigen Fernsehfilm „Neo Rauch: Ein deutscher Maler“ ist kürzlich im Verlag Zweitausendundeins erschienen.

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