© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/10 27. August 2010

UMWELT
Chinesische Strategien
Michael Howanietz

Im zweiten Quartal dieses Jahres hat China Japan als zweitgrößte Wirtschaftsmacht nach den USA abgelöst. 2009 mußte Deutschland den Titel des Exportweltmeisters an das Reich der Mitte abgeben. Europa sei wirtschaftlich stark, so der chinesische Politologe Pan Wei, aber „wir fürchten es nicht mehr, denn wir wissen, daß China für die EU nötiger ist als die EU für China“. Das bestätigt die Denkfabrik European Council on Foreign Relations (EFCR): China sei nur an intensiven Handelsbeziehungen interessiert, von denen es massiv profitiert. Auf strategischer Ebene werde Europa vollends ignoriert. Um seinen „erhöhten Eigenbedarf“ (vor allem für die Exporte) weiter decken zu können, erwägt Peking eine diesbezügliche Machtdemonstration.

Die erdrückende Rohstoffdominanz wird nicht nur in Afrika deutlich (JF 18/08), wo sich China exklusive Zugriffe auf die reichen Ressourcen sichert, sondern auch bei den sogenannten Seltenen Erden (dritte Gruppe des Periodensystems) und industriewichtigen Metallen. In diesen Bereichen ist China derzeit für etwa 95 Prozent der Weltförderung verantwortlich. 60 Prozent der Vorkommen liegen sogar innerhalb Chinas. Ab 2015 droht ein Exportstopp seltener Metalle wie Indium oder Germanium, die in vielen technischen Produkten unersetzbar sind. Wachsender Eigenbedarf ist der Vorwand, strategisches Kalkül der Hintergrund. Schließlich hat das von zunehmender Dürre und Wüstenausbreitung geplagte Land gravierende Umweltprobleme, deren Lösung teuer und ohne fremde Hilfe nicht auskommen wird. Auch der viel zu spät erstellte Bericht der EU-Kommission zu vierzehn kritischen Rohstoffen wird nicht verhindern, daß Europa im bevorstehenden Kräftemessen den kürzeren ziehen wird.

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