© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/10 27. August 2010

Welle der Empörung
USA: Das Vorhaben, unweit der einstigen WTC-Türme eine Moschee zu errichten, stößt auf wachsenden Widerstand
Tim Koenig

Nur zwei Straßenzüge von der ewigen Baugrube am Ground Zero in Süd-Manhattan entfernt findet sich ein Haus, das seit einigen Wochen nicht nur New York, sondern inzwischen überall in den USA für Empörung sorgt. 45–47 Park Place ist eines dieser charmanten alten New Yorker Fabrik-Lofts – massive gußeiserne Säulen, enorme Deckenhöhen, typisch für die Gegend um Soho und Tribeca.

Wenn es nach dem Willen der städtischen Baukommission, der lokalen Bürgerversammlung und Imam Feisal Abdul Rauf ginge, dann wird das 152 Jahre alte Gebäude in Kürze abgerissen und auf dem Grundstück ein 13stöckiges islamisches Gemeindezentrum errichtet. Die letzte formale Hürde auf dem Weg dorthin wurde am 3. August genommen, als die Denkmalschutzbehörde einen Antrag auf Erhalt ablehnte.

Doch die Befürworter hätten keinen ungünstigeren Zeitpunkt wählen können, rückt mit dem 11. September doch jenes Datum in absehbare Nähe, das sich wie kein anderes in die US-Volksseele eingebrannt hat. Allzu lebendig sind die Bilder der einstürzenden Twin Towers des Welthandelszentrums (WTC), zu frisch die Erinnerungen an die fast 3.000 Opfer der Terroranschläge. Daß ausgerechnet hier ein islamisches Zentrum entstehen soll, daran scheiden sich die Geister. Skandal, schreien die einen. Toleranz predigen die anderen. Am Wochenende gab es lautstarke Demonstrationszüge von Befürworten und Gegnern.

Auf der Seite der Befürworter stehen neben der Bürgerversammlung, die auf die Belebung der Gegend durch das Moschee-Zentrum samt Fitneßbereich, Restaurant, Auditorien und Galerien hofft, auch Imam Rauf und Bauherr El-Gamal, der das Grundstück 2006 für 4,8 Millionen Dollar  gekauft hatte. Im tendenziell liberalen New York steht aktuellen Umfragen zufolge etwa die Hälfte der Einwohner weiter hinter dem Projekt.

Es brodelt nicht nur am Ground Zero

Auch der seit 2007 parteilose Bürgermeister Michael Bloomberg, für den diese Angelegenheit eine Sache von Toleranz und Religionsfreiheit ist, befürwortet den Bau. „Wir würden unsere Werte verraten – und unseren Feinden in die Hände spielen –, sollten wir Muslime anders behandeln als alle anderen“, so der aus einer aus jüdisch-osteuropäischen Familie stammende Medienunternehmer in einer von Emotionen stark geprägten Rede.

Präsident Barack Obama, der anfänglich noch voll Euphorie verkündete, daß „Muslime die gleichen Rechte hätten, ihre Religion auszuüben, wie alle anderen“, einschließlich „das Recht, sich ein Gotteshaus und ein Gemeindezentrum auf einem privaten Grundstück in Manhattan zu errichten“, ruderte angesichts des heftigen Gegenwinds, der ihm nicht nur von seinen erbitterten Gegnern im konservativ-republikanischen Lager entgegenblies (JF 34/10), gleich einen Tag später wieder zurück. Er hätte sich nicht speziell zum Bau der Moschee am Ground Zero, sondern generell auf die im ersten Verfassungszusatz verbriefte Religionsfreiheit bezogen.

Laut einer CNN-Umfrage lehnen sieben von zehn US-Bürgern den Bau der Moschee ab. Viele bezeichnen das Vorhaben als pietätlos, entwürdigend und als Schlag ins Gesicht der Opfer. Nicht nur die Tea-Party-Bewegung und konservative Republikaner wie Sarah Palin sehen das so, auch immer mehr liberale Demokraten: Am 2. November werden nämlich das Repräsentantenhaus, 36 der insgesamt 100 Sitze im Senat und die Gouverneure von 37 Bundesstaaten neu gewählt.

Für den ehemaligen Präsidentschaftskandidat Pat Buchanan ist die Gegend um den Ground Zero sogar eine „Heilige Stätte“, eine „Grabstätte für die Familien der Toten, für die New Yorker  und für alle Amerikaner“. Immobilienmogul Donald Trump äußerte sich nur etwas milder: „Das ist einfach taktlos und gehört dort nicht hin. Ich glaube an die Religionsfreiheit, aber eine Moschee an diesem Ort – das ist einfach irrsinnig.“

Der demokratische Gouverneur des Bundesstaates New York, David Paterson, versucht hingegen schlichtend in die Debatte einzugreifen. Sein Angebot: „Baut an einer anderen Stelle, und wir werden Euch helfen.“ Auf ein derartiges Einlenken will das 1990 von dem evangelikalen Fernsehprediger Pat Robertson gegründete Amerikanische Zentrum für Recht und Gerechtigkeit (ACLJ) nicht warten und versucht das Vorhaben mit einer Klage vor dem Obersten Gericht von New York doch noch juristisch zu stoppen.

Mit einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne macht hingegen eine Gruppe namens „Stoppt die Islamisierung Amerikas“ ihrem Unmut Luft. Auf 26 plakatierten Bussen ist vier Wochen lang das Bild vom Einschlag des ersten Flugzeugs in den Nordturm des World Trade Center zu sehen mit der Überschrift „WTC Jihad Attacks“.

Wer die Geldgeber des etwa 100 Millionen teuren islamischen Bauobjekts sind, darüber herrscht bislang Ungewißheit. Kritiker befürchten, daß Finanzierungsfragen eines der Hauptanliegen der jüngsten Auslandsreise von Imam Rauf sind: Der in Kuweit geborene 62jährige befindet sich derzeit auf einer vom US-Außenministerium finanzierten 15tägigen Visite im Nahen Osten.

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