© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/10 27. August 2010

Kolumne
Karlsruhe verspielt seine Autorität
Norbert Geis

In Deutschland wird jede dritte Ehe geschieden. Die Scheidung wird in unserer Happy-Medien-Welt nicht mehr als schwerer Schicksalsschlag dargestellt, sondern als Selbstverständlichkeit verharmlost. Für die Kinder aber bleibt die Trennung von Vater und Mutter eine Tragödie. Diese Realität wird einfach ignoriert. Dafür wird die Patchwork-Familie hochgejubelt. Sie ist aber kein echter Ersatz für eine Kindheit mit Vater und Mutter.

Ehe und Familie werden mehr und mehr aus der Mitte unseres Lebens hinausgedrängt. Früher war das Verfassungsgericht ein Bollwerk gegen eine solche Entwicklung. Diese Zeit ist vorbei. Die Wende begann spätestens mit dem Urteil vom 17. Juli 2002 zum Lebenspartnerschaftsgesetz. Es kam zur höchstrichterlichen Gleichschaltung der sogenannten „Homo-Ehe“ mit der Ehe. Dies war ein Paradigmenwechsel.

Der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier schrieb in seinem Sondervotum, daß durch das Urteil ein wesentliches Strukturprinzip des Instituts der Ehe mißachtet werde. Die Richterin Evelyn Haas schrieb, daß die Ehe nach unserer Verfassung privilegiert werde, weil sie in ihrer „prinzipiellen Ausrichtung auf die Familie“ durch die „Elternverantwortlichkeit“ und „die Regeneration der Gesellschaft“ einen „wichtigen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit von Staat und Gesellschaft“ leiste. Die „Homo-Ehe“ erbringe diese Leistung naturgemäß nicht. Deshalb sei die Gleichstellung mit der Ehe falsch.

Die Mehrheit der Verfassungsrichter war jedoch anderer Meinung. Immerhin aber hat damals das Gericht in den Gründen des Urteils noch ausgeführt, daß der Gesetzgeber diese Gleichstellung zwar vornehmen könne, dazu aber nicht gezwungen sei. In seinem neuesten Urteil vom 17. August 2010 rückt das Gericht davon ab und geht noch einen Schritt weiter. An den Gesetzgeber ergeht die Forderung, im Erbschaftsteuerrecht die Gleichstellung der „Homo-Ehe“ mit der Ehe zu vollziehen.

Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann diese Gleichschaltung auch für das Recht auf Adoption von Kindern erfolgt. Nach dem Wohl der Kinder wird ganz sicher nicht gefragt. Hauptsache, die Gleichmacherei geht weiter und die Homo-Lobby hat ihren Erfolg. Das Verfassungsgericht mischt sich nicht nur in die Kompetenz des Gesetzgebers ein, sondern verspielt damit auch seine Autorität in den Kreisen, die sich bislang am meisten nach unserer Verfassung gerichtet haben.

 

Norbert Geis, CSU, ist Rechtsanwalt und seit 1987 Mitglied des Deutschen Bundestages.

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