© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/10 20. August 2010

Dimension von Gut und Böse
Chestertons Kriminalistik
Georg Alois Oblinger

Für viele Morde zu meinen Lebzeiten bin ich verantwortlich, im allgemeinen aber nur in der abgemilderten Form von Detektivgeschichten.“ Der englische Autor und Journalist Gilbert Keith Chesterton (1874–1936) hat zahlreiche Kriminalgeschichten geschrieben, unter anderem 52 Erzählungen um den Priesterdetektiv Father Brown, für den ihm Monsignore John O’Connor als Vorbild diente.

Die erste Father-Brown-Geschichte erschien im Jahr 1910. Dies war jetzt für den Verlag Nova & Vetera ein Grund, eine Sammlung von Chesterton-Texten zum Thema Kriminalliteratur zusammenzustellen. Chesterton verstand es meisterhaft, in seinen Kriminalgeschichten die tiefere Dimension von „Gut“ und „Böse“ im menschlichen Leben aufzuzeigen. Seinen Geschichten wohnt immer eine philosophische wie auch eine psychologische Dimension inne. Er hat Verständnis für die menschlichen Schwächen und stellt das weitaus größere Übel in den falschen Ideologien bloß.

In einer Zeit, als viele die Kriminalgeschichte als minderwertige Literaturgattung ansahen, wurde Chesterton ihr Verteidiger. Gerade weil der Krimi von so vielen Menschen gelesen wird, ist er für einen Autor gut geeignet, seine Botschaft zu übermitteln. Die Liebe zu dieser Gattung ähnelt der Liebe zum Versteckspiel. In beiden Fällen geht es darum, Verborgenes sichtbar zu machen.

Am Ende jeder Kriminalgeschichte steht das Urteil oder das Gericht, so wie am Ende jedes menschlichen Lebens das göttliche Gericht steht. Die Maskerade ist zu Ende, jetzt folgt die Enttarnung, die manche Überraschung bereithält. Wie Jesus angekündigt hat, wird derjenige erniedrigt, der sich selbst erhöht hat. Andererseits werden die Letzten die Ersten sein. Chesterton räsoniert über das Böse im Menschen, über das von Robert Louis Stevenson beschriebene Mysterium von Jekyll und Hyde und über die Faszination der Detektivgeschichte. Er gibt konkrete Ratschläge für den literarischen Mord, weist auf häufig gemachte Fehler hin und deutet selbst auf einige unkonventionelle Beispiele durch Kriminalgeschichten, die eine tiefere, spirituelle Ebene aufweisen.

Mit sich selbst geht Chesterton immer äußerst kritisch ins Gericht. Andererseits würdigt er andere große Verfasser von Kriminalliteratur wie Sir Arthur Conan Doyle, Edgar Allan Poe und gar Edgar Wallace. Wer dieses Buch gelesen hat, wird seine künftige Kriminallektüre mit anderen Augen anschauen.

Gilbert Keith Chesterton: Die Unschuld des Kriminellen. Verlag Nova & Vetera, Bonn 2010, gebunden, 204 Seiten, 19,90 Euro

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