© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/10 20. August 2010

Der Mut der Masse
Ideale in Schrumpfform
Thorsten Hinz

Bei einigen, vor allem jüngeren Aktivisten stillt der „Kampf gegen Rechts“ das Bedürfnis nach gelebtem Idealismus. Es ist allerdings ein Idealismus in der Schrumpfform, auf dem Niveau der Minderwertigkeit gewissermaßen. Das zeigt schon der Abgleich der Losung „Mut gegen rechte Gewalt“ mit der Realität. Das Wort „Mut“ bezeichnet die Fähigkeit, aus freiem Entschluß eine Gefahr auf sich zu nehmen, seine Bequemlichkeit aufzugeben, Leben, Gesundheit oder öffentliche Reputation zu riskieren, um uneigennützig einem edlen Ziel zu dienen. Mut schließt die Befähigung zum Opfer ein.

Den Anti-Rechts-Aktivisten geht es überwiegend um materielle und (oder) ideelle Selbsterhöhung, die – kaum überraschend – mit persönlicher Feigheit korrespondiert. Denn bevor die Kämpfer der Faust oder Computertastatur zur Demo-Blockade oder zur individuellen Existenzvernichtung ausschwärmen, haben sie sich davon überzeugt, daß der Gegner satisfaktionsunfähig und wehrlos ist. Daher ist es lächerlich, wenn sie sich mit Formeln wie „Schlagt den Faschismus, wo ihr ihn trefft“ in die Tradition des antifaschistischen Kampfes im Vorfeld der Machtergreifung 1933 stellen. Die Würde dieses Kampfes lag – unbeschadet der kriminellen Energien beider Seiten – in dem unverstellten Risiko, das die Roten und die Braunen jeweils eingingen: Schlagkräftige Rotfrontler trafen auf schlagkräftige SAler – und umgekehrt.

Der Gegner ist bereits gefesselt 

Der Gegner der heutigen Antifaschisten ist durch die öffentlichen und staatlichen Gewalten bereits gefesselt, so daß man aus der Position völliger Gefahrlosigkeit auf ihn einschlagen kann. Strukturell ähnelt dieses Vorgehen dem der SA nach der Machtergreifung, nachdem sie staatliche Hoheitsrechte erhalten hatte und sie den besiegten Gegner ohne Risiko und Strafe quälen konnte. Im Rostocker Ostseestadion trieben kürzlich 150 „Fans“ 25 NPD-Anhänger aus der Arena. Auf der offiziellen Website des FC Hansa Rostock ist der kurze Erlebnisbericht eines „Fans“ zu lesen, der sein Alter mit 26 angibt: „Als ich wieder in die 24 wollte, kam mir son Spacken mit blutiger Augenbraue und dicker Nase entgegengerannt und ca 15 Leute dahinter. Hab dann auch mitbekommen, daß es ein NPDler war. Geile Sache, hoffentlich hat er noch 5 Dinger in die Schnauze bekommen!“ Die Übermacht von von 6 bzw. 15 zu 1 erscheint noch größer, wenn man die mediale, politische, organisatorische und gegebenenfalls auch juristische Flankierung bedenkt, die solche Schläger gewöhnlich erhalten.

Es ist, wie gesagt, ein minderwertiger Mut, passend zur hedonistische Massengesellschaft. Wirklicher Mut ist weder an sozialen Stand noch an Einkommen oder Bildungsgrad gebunden, trotzdem handelt es sich um eine elitäre Angelegenheit. Die Massengesellschaft aber strebt dem Ideal nicht mehr zu, sondern zerrt es auf Kretinniveau herab, um sich gemäß dem geheiligten Gleichheitsprinzip den Elite-Status ohne Mühe und Verdienst anheften zu können.

Die Kehrseite war vor einigen Monaten im Internetforum Politically Incorrect zu besichtigen: Ein Foto, aufgenommen in der Straßenbahn einer westdeutschen Stadt, zeigte einen jungen Mann, der seiner Anmutung nach keine Anti-Rechts-Aktion versäumen dürfte, Gewalt eingeschlossen. Ihm gegenüber auf der Sitzbank lümmelte ein arabischer oder türkischer Macho und nahm von vier Plätzen dreieinhalb in Beschlag, während der gegen Rechts gewiß mutige Deutsche sich bescheiden, ja ängstlich mit einem halben Platz begnügte.

Was heute als „Mut gegen Rechts“ firmiert, ist der ins Politische gewendete Komplex von Gesinnungs- und Charakterlumpen.

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