© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/10 13. August 2010

Alt und fern: Deutsche Senioren in der Südtürkei
Klein-Almanya in Alanya
Baal Müller

Mancher, der seinen Lebensabend im Süden verbringen wollte, sich aber keine spanische Finca leisten konnte, strandete in den letzten Jahrzehnten an der türkischen Riviera. Ein gewaltiges Rentnerparadies mit zigtausend Wohnungen wurde in Alanya aus dem Boden gestampft, und vielen potentiellen „Gastarbeitern“ erschien die Vorstellung, die Deutschen hier zu bekellnern, als gute Alternative zur Fließbandarbeit in Almanya. Aber mittlerweile ist die Türkei kein billiger Geheimtip mehr, und die Ströme kleinbürgerlicher Ruheständler verebbten.

Die Verbliebenen sind noch immer zum großen Teil Fremde, obwohl sich einige um das Erlernen der türkischen Sprache bemühten, deutsch-türkische Kulturvereine gründeten und viele Einheimische Deutsch können. Nicht wenige vereinsamten in Hochhausburgen, die aufgrund der überzogenen Bauspekulation zu Geisterstädten geworden sind. Andere jedoch betätigen sich: Sie engagieren sich in Tierheimen für Straßenhunde, die sonst niemanden interessieren, sammeln Geld für behinderte Kinder, kümmern sich um die Verbesserung von Fahrplänen oder verkaufen Garagentore.

Noch immer sind es „deutsche Tugenden“ wie Ordnung, Disziplin und Gründlichkeit, mit denen sie viele Türken für sich einnehmen. Zuweilen ergeben sich auch private Verbindungen (nicht selten von deutschen Seniorinnen mit jüngeren türkischen Männern), aber wenn in der Rentnerbar geschunkelt wird und fünf Greise bei der Polonaise die Löcher aus dem Käse fliegen lassen, sind die Zugereisten unter sich – bis auf den türkischen Sänger, der heute vor einem deutschen, morgen vor einem englischen oder russischen Publikum auftritt und sich die passenden Schlagertexte aus dem Internet zusammensucht. Trotzdem scheinen viele ihr kleines Glück gefunden zu haben, und auf ihren Grabsteinen steht „Für immer in Alanya“.

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