© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/10 30. Juli / 06. August 2010

Frisch gepresst

Gegen Liberale. Einer von Armin Mohlers „klassischen“ Texten, erschienen zuletzt in seiner Aufsatzsammlung „Liberalenbeschimpfung“ (Essen 1990), ist wieder greifbar. Mohler geht es dabei weniger darum, in der Nachfolge Moeller van den Brucks noch einmal die liberale Ideologie ins Säurebad der Kritik zu werfen, da der jungkonservative Großmeister bei dieser Versuchsanordnung  kaum mehr zu übertreffen ist. Mohler bemüht sich hier vielmehr um eine tragfähige, nichtliberale Alternative. Von „Vaterland, Ordnung, Heimat“ und dem, was dabei sonst noch zum konservativen Standardrepertoire gehört, leistet er indes Verzicht. Der Gegenentwurf zum liberalen Egalitarismus kommt darum eher unpolitisch daher. An Arnold Gehlens „Mängelwesen Mensch“ anknüpfend, entfaltet Mohler seine Maximen aus den unveränderlichen „Gegebenheiten“ unseres Daseins, in deren Zentrum die „Sterblichkeit“ stehe. Eine solche Orientierung hat weitreichende, letztlich auch knochenharte politische Konsequenzen, wenn der „weltliche Stoiker“ sich dem  utopistischen Machbarkeitswahn des linken wie rechten Totalitarismus, aber eben auch dessen „humanerer“ Spielart, den auf „Perfektibilität“ und „Fortschritt“ fixierten „liberalen“ Gesellschaftsentwürfen verweigert (Gegen die Liberalen. Band 21 der Reihe Kaplaken. Edition Antaios, Schnellroda 2010, gebunden, 80 Seiten, 8 Euro).

 

Republikflucht. Nach einer feucht-fröhlichen Feier unter Kollegen verirrte sich im November 1971 Peter Müller, Mineraloge an der Akademie der Wissenschaften der DDR, auf dem Heimweg ins Sperrgebiet an der Berliner Mauer. Fast hundert Schüsse werden auf ihn abgegeben; zwei davon gehen sogar in ein West-Berliner Kinderzimmer fehl, den Grenzverletzer wider Willen indes verfehlen sie. Müller kommt in Haft, wird verurteilt und später amnestiert. Statt in einer renommierten Forschungsstätte muß er jedoch in einer Getränkeabfüllung rabotten. Als dann auch noch seine älteste Tochter in einem Schulaufsatz davon schwärmt, daß bundesdeutsche Arbeiter in Spanien urlauben können und der Vater deswegen gemaßregelt wird, ist die Zeit reif, dem unbeabsichtigten Grenzübertritt einen gewollten folgen zu lassen. Nach mehreren vergeblichen Anläufen kann Müllers Familie 1976 schließlich den Arbeiter-und- Bauern-Staat legal verlassen. Nach der Wiedervereinigung werden die beiden Schützen, die Peter Müllers scheinbaren Fluchtversuch vereiteln sollten, freigesprochen. Sie hatten offenkundig mit Absicht zu hoch gezielt. „Neunzig Schüsse an der Mauer“ von Petra Stähr-Gräbedünkel (Books on Demand. Norderstedt 2009, gebunden, 88 Seiten, 16,90 Euro) ist ein autobiographisches Dokument, das die literarische Apotheke gegen Ostalgie sinnvoll erweitert.

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