© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/10 30. Juli / 06. August 2010

Zeitschriftenkritik: Geschichte & Wissen
Mythos Inquisition
Werner Olles

Die zweimonatlich mit einem Umfang von fünfzig Seiten erscheinende Zeitschrift „Geschichte & Wissen“ wartet in ihrer aktuellen Ausgabe (Juli/August 2010) mit dem Titelthema „Herrliche Zeiten – Das Deutsche Kaiserreich 1871 bis 1918“ auf. Mit Wilhelm II., dem letzten Deutschen Kaiser und preußischen König, stand seit 1888 ein Monarch an der Spitze des Reiches, der wie kaum ein anderer bis heute kontroverse Diskussionen auslöst.

Als „unsicher und arrogant, intelligent und impulsiv, vernarrt in moderne Technik und zugleich verliebt in Pomp und Theatralik“ beurteilt ihn beispielsweise der Historiker Volker Ullrich. Doch der Kaiser wollte den Deutschen in einer Phase ungebremsten Aufschwungs, von Technikbegeisterung und nationaler Hochstimmung einen „Platz an der Sonne“ erstreiten und sie dem Glanz einer aufstrebenden Epoche entgegenführen. Stattdessen endete sein politischer Ehrgeiz auf den blutgetränkten Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges. Als schließlich im Frühjahr 1918 eine letzte deutsche Offensive keinen Durchbruch erzielte, war der Durchhaltewillen der kämpfenden Truppe gebrochen und die Leidensfähigkeit der Heimatfront endgültig erschöpft. Revolutionäre Unruhen erzwangen am 9. November 1918 die Abdankung des Kaisers. Nur einen Tag später ging Wilhelm II., von seinen Militärs verraten und von seinem Volk weitgehend vergessen, über die belgisch-niederländische Grenze ins Exil. Als einfacher Landedelmann starb er im Juni 1941 auf Haus Doorn bei Utrecht.

Mit der „Heiligen Inquisition“, jenem „Mythos zwischen Mittelalter und Moderne“, befaßt sich der Sonderteil des Heftes. Immer noch ruft die Inquisition spontan Assoziationen von Folter, religiösem Fanatismus und politischer Unterdrückung hervor. Dennoch war sie trotz aller grausamen Mißbräuche im Prinzip nichts anderes als das Bestreben, Strafrechtsprozesse nach rechtsstaatlichen Mitteln zu führen. So bedeutet das lateinische „inquisito“ zunächst einfach nur „gerichtliche Untersuchung“, und der Inquisitor war dementsprechend eine Art „Untersuchungsrichter“. Tatsächlich waren die Befragungstechniken auch keineswegs zwangsläufig mit Folter verbunden, die besonders bei Juristen schon damals umstritten war. Längst nicht jeder Verurteilte hatte den Feuertod zu erwarten, wie dies heute noch gerne von kirchenfeindlichen Kreisen kolportiert wird. Es gab durchaus auch milde Strafen wie Bußübungen oder Güterkonfiskation. Zudem verstanden sich die spanische und portugiesische Inquisition ohnehin als staatliche Institutionen mit behördlichen Strukturen und länderspezifischen Eigenheiten. Auf einen Nenner läßt sich die Inquisition demnach nicht bringen. Und scharfe Kritiker, die ihre Existenz zunehmend in Frage stellten, stammten oft aus den Reihen der Römisch-Katholischen Kirche selbst.

Über junge Wilde im „Sturm und Drang“, eine Strömung der deutschen Literatur, die in der Welt des 18. Jahrhunderts mit Gefühl, Melancholie und Liebe eine Gegenbewegung zur rationalistischen Aufklärung darstellte, berichtet ein weiterer Beitrag.

Anschrift: Pabel-Moewig Verlag, Karlsruher Str. 31, 76437 Rastatt. Das Einzelheft kostet 3,20 Euro. Internet: www.geschichte-und-wissen.de

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