© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/10 30. Juli / 06. August 2010

Keine Patentlösung für Energieprobleme
Landwirtschaftspolitik: Studien machen die Grenzen der Biomassegewinnung deutlich / Naturschützer hinterfragen Ökobilanz
Volker Kempf

Biomasse stellt etwa zwei Drittel der Erneuerbaren Energien (EE) in Deutschland. Etwa 9,5 Prozent der verbrauchten Energie werden bereits aus erneuerbaren Quellen erzeugt – Tendenz steigend. Bei der energetischen Verwertung von Biomasse nimmt Holz den größten Anteil ein. Es wird derzeit vor allem im Wärmebereich und bei der gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung eingesetzt.

Annähernd sechs Prozent des deutschen Wärmeverbrauchs wurden 2008 durch Holzenergie gedeckt. Dafür kamen hauptsächlich Rest- und Altholz, also Holzabfälle aus der Holzbearbeitung zum Einsatz. In Zukunft wird wegen der zunehmenden Nachfrage nach Biokraftstoffen der Bedarf an größeren Mengen holziger Biomasse für die energetische Verwertung sowie für die stoffliche Nutzung weiter steigen.

Daher werden vermehrt Kurzumtriebsplantagen mit schnellwüchsigen Gehölzen auf landwirtschaftlichen Flächen geschaffen. Solche Plantagen zeichnen sich durch Gehölzbestände mit raschem Jugendwachstum und einem hohen Stockausschlagsvermögen aus. Kennzeichnend sind in Deutschland der Einsatz von Pappeln, Weiden und Robinien. Aber auch der Anbau von Grau- und Roterle sowie Bergahorn, Birke und Hainbuche kommen in Frage, heißt es in dem Bericht „Energieholzanbau auf landwirtschaftlichen Flächen“ des Bundesamts für Naturschutz (BfN). Die Biomasseerzeugung durch Kurzumtriebsplantagen auf Agrarflächen habe vor allem dann einen ökologischen Vorteil, wenn der Standort sich auf zuvor intensiv genutzten Flächen befindet.

Durch die Kurzumtriebsplantagen werde sogar ein Beitrag zur Vernetzung von Biotopen erreicht. Einschränkend weist das BfN allerdings darauf hin, daß diese Anbauform zur Erhaltung spezifischer geschützter Arten jedoch meist nicht beitragen könne. Die dortige Tier- und Pflanzenartenvielfalt sei geringer als es bei Lebensräumen wie Niederwäldern ohne intensive Nutzung der Fall wäre.

Von daher könnten diese Plantagen keine ökologisch gleichwertige Landnutzungsform im Vergleich zu Wäldern oder auch Hecken und anderen Gehölzökosystemen darstellen. Auch gegenüber artenreichem Dauergrünland sei eine Anlage von Kurzumtriebsplantagen „nachhaltig negativ, da mit dem Verlust des Grünlands auch entsprechende Lebensräume, die Bodeneigenschaften und die Qualität des Landschaftsbilds nachteilig verändert werden“.

Folglich sei die Standortwahl ausschlaggebend dafür, ob von einer Plantage negative oder positive Wirkungen auf Naturhaushalt, biologische Vielfalt und Landschaftsbild ausgingen. Dabei seien insbesondere die Art der Vornutzung, der eventuelle Schutzstatus der betroffenen Fläche, die Wasserversorgung, die Standorteigenschaften sowie der typische Charakter des jeweiligen Raumes zu beachten. Was letzteres betrifft, sei zu sehen, daß in Regionen, die ackerbaulich intensiv genutzt würden und damit ein monotones Landschaftsbild aufweisen, der Anbau von Kurzumtriebsplantagen positiv strukturierend wirke.

Für diese neuen Biomasseplantagen ergibt sich unter ökologischen Aspekten ein differenziertes Bild. Im Vergleich zur Nutzung von Agrarland durch Sonnenstromanlagen dürfte die Bilanz allerdings besser ausfallen, denn die Solarmodule überdecken den Boden. Das Landschaftsbild entwickelt sich durch die Solarzellenfelder zu einer öden Industrielandschaft. Durch die wie Pilze aus dem Boden wachsenden Windenergieanlagen wird die agrarische Nutzung zwar kaum beeinträchtigt, das Landschaftsbild jedoch um so mehr. Kurzumtriebsplantagen werden in Zukunft in der Kulturlandschaft eine größere Bedeutung haben, aber auch ihr Einsatz unterliegt vielfältigen Abwägungen (Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion usw.) und ist daher eng begrenzt.

Biomasse schont die Vorräte an fossilen Energieträgern, doch vom „postfossilen Zeitalter“ ohne Öl, Gas, Kohle und Kernenergie ist Deutschland auch aus einem anderen Grund noch weit entfernt. Denn es bestehen Defizite in der Methodik, nach der etwa von der EU die angeblichen CO2-Einsparungen durch die Nutzung von Biomasse aus Holz bilanziert werden. Durch die Verbrennung wird das im Holz über viele Jahre gespeicherte Kohlendioxid unmittelbar freigesetzt.

Im Ergebnis könne die Klimabilanz der Biomassenutzung aus Holz schlechter sein als die Bilanz der durch sie zu ersetzenden fossilen Energieträger. Das ergab eine im Europaparlament vorgestellte Studie des Naturschutzverbandes BirdLife International zu den Klimaeffekten. Der Naturschutzbund Deutschland fordert angesichts dessen eine Überprüfung der EU-Ziele für die Gewinnung von Energie aus Biomasse. Wieder einmal wird deutlich, daß es im Energiesektor keine Patentlösungen gibt, sondern daß nur zwischen verschiedenen Vor- und Nachteilen abgewogen werden kann.

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