© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/10 23. Juli 2010

Wenn die Integration baden geht
Zuwanderung: Immer häufiger kommt es in Berliner Freibädern zu Schlägereien zwischen ausländischen Jugendlichen
Lion Edler

Die Stimmung im gut besuchten Neuköllner Columbiabad ist entspannt. Bei Temperaturen jenseits der 30 Grad genießen Tausende Besucher das kühle Naß. Nur der Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes, der gelegentlich in Begleitung eines Polizisten auf dem Gelände seine Runden dreht, und die Hinweisschilder auf die Videoüberwachung des Geländes erinnern daran, daß die Atmosphäre in Berlins Freibädern nicht immer so angenehm ist. Anfang Juli waren hier etwa 60 Personen aneinandergeraten – der Sprecher der Berliner Bäderbetriebe, Matthias Oloew, sprach daraufhin etwas eigentümlich von „konkurrierenden Familienclans mit Migrationshintergrund“. Polizisten mußten mit Helmen und Sicherheitswesten anrücken um wieder für Ruhe und Ordnung zu sorgen, ein Sicherheitsmann wurde durch Schläge und Tritte verletzt. Das Bad wurde geräumt.

Vorfälle wie diese dürften sich nicht wiederholen, sagte Oloew. Daher werde das Sicherheitspersonal von 8 auf 12 Personen aufgestockt. Es verging jedoch nicht einmal eine Woche nach diesen Äußerungen, bis das Kreuzberger Prinzenbad am vergangenen Freitag wegen einer Schlägerei unter „Jugendlichen“ geräumt werden muß. Als der Sicherheitsdienst eingreift, wird ein Wachmann geschlagen, die aggressive Gruppe wächst schnell auf rund 30 Personen an. Im Gedränge der Auseinandersetzungen wird ein vierjähriges Kind verletzt. Die Polizei erstattete zwei Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung, doch die Suche nach den Tätern verlief erfolglos.

Immer wieder kommt es in den Bädern zu aufsehenerregenden Gewaltvorfällen, und immer wieder haben die Täter einen sogenannten „Migrationshintergrund“ – unfreiwillig sind Berliner Schwimmbäder zum Symbol für ausländische Jugendkriminalität und das Scheitern von Integration geworden. Zahlreiche Medien schrieben nach der  Schlägerei im Columbiabad, es würden in den Bädern häufig „aggressive Deutsche, Türken oder Araber aufeinander losgehen“, doch tatsächlich sind es vor allem eher nur die beiden letztgenannten Gruppen. Gut in Erinnerung ist in Berlin noch der Sommer 2006, als sich im Freibad Pankow bis zu 200 arabische und türkische Jugendliche zusammenrotteten, Badegäste bedrohten und randalierten. Erst ein Großaufgebot der Polizei konnte damals die Sicherheit wiederherstellen (31-32/06).

Wie nicht anders zu erwarten, sind die Verantwortlichen nun bemüht, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Es sei das erste Mal seit vielen Jahren, daß bei einer derart gravierenden Auseinandersetzung im Prinzenbad die Polizei eingreifen mußte, sagt der Berliner Bäderchef Klaus Lipinsky. Er verbindet seinen Beruf auch mit einer sozialen Aufgabe. „Wir holen Jugendliche von der Straße, verhindern Straftaten“, meint Lipinsky. Um Konflikte zu beheben, bilden die Bäderbetriebe verstärkt junge Leute aus, „die aus anderen Kulturen stammen“, berichtet die Berliner Morgenpost. „So kann man Mißverständnissen begegnen und voneinander lernen“, glaubt Lipinsky. Doch neben dem Problem der Schwimmbadgewalt selbst scheinen viele Bürger ohnehin auch von anderen Fragen umgetrieben zu werden: Wer muß zurückweichen, die unbeteiligte Mehrheit oder die Schläger? Ist es vermittelbar, daß 7.000 Menschen im Neuköllner Columbiabad und 3.000 Menschen im Kreuzberger Prinzenbad wegen einer kleinen kriminellen Minderheit das Bad verlassen müssen? Ob ein Bad geschlossen wird, entscheiden Bademeister und Sicherheitsdienst gemeinsam. Die Strategie der „vorsorglichen“ Schimmbadschließungen erhält jedenfalls manche Rückendeckung von der Politik – und wird dort als harte Gangart interpretiert: Der Vorsitzende der Berliner Jungen Union, Conrad Clemens, etwa forderte eine vorübergehende Schließung des Columbiabads. Nur so könne man „Lerneffekte“ bei den Tätern erzielen, ist der Jungpolitiker überzeugt. Die Berliner werden es ihm angesichts der Rekordtemperaturen danken.

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