© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/10 16. Juli 2010

Meldungen

Generation Chirac und Frankreichs Identität

DUISBURG. Zwei Drittel der Iren, die 2008 den Vertrag von Lissabon ablehnten, waren unter 24 Jahre alt. Auch drei Jahre zuvor, bei der französischen Volksabstimmung im Mai 2005, stieß „Europa“ gerade bei den Geburtsjahrgängen zwischen 1981 und 1987 auf entschiedenen Widerstand. Die deutsche Geschichtsdidaktikerin Bärbel Kuhn (Universität Essen-Duisburg) weist darauf hin, daß dieses Desaster durch simple Lektüre französischer Schulbücher absehbar gewesen wäre (Unikate Duisburg-Essen. Berichte aus Forschung und Lehre, Ausgabe 2009). Denn bis etwa ins Jahr 2000, so zeigt ihre Analyse von 15 Geschichtslehrbüchern für die Mittel- und Oberstufe, dominierte die nationalistische Deutung: „Europa als Erweiterung der französischen Macht“. Als dann die EU-Osterweiterung das „Mutterland der Menschenrechte“ stärker an den Rand drängte, veränderte sich der Tenor. Ab 2000 vermittelten die Schulbücher der „Generation Chirac“ das Bild einer zugleich bürokratisch wie wirtschaftsliberalen EU, die Frankreichs Identität sowie das „republikanische Modell des Wohlfahrtsstaats“ bedrohe. Damit sei die seit den 1950er Jahren gepflegte „Illusion eines französischen Europas“ zerfallen, nach der die EU nur „Projektionsfläche von nationalen Ambitionen“ gewesen sei. Die bundesdeutsche Didaktikerin empfiehlt daher, Pariser Schulbücher künftig von „nationalen Stereotypen“ zu befreien und sich darauf zu konzentrieren, „europäische Werte“ in „eine französische Identität zu integrieren“.  

 

Leibniz-Gemeinschaft: Hauptamtlicher führt

BERLIN. Die Leibniz-Gemeinschaft ist eine der großen deutschen Forschungsorganisationen. Sie unterhält knapp 90 geistes- und naturwissenschaftliche Institute mit 16.000 Beschäftigten, davon die Hälfte Wissenschaftler. Mit ihrem Jahresetat von einer knappen Milliarde, aufgebracht von Bund und Ländern, liegt „Leibniz“ an vierter Stelle hinter der Helmholtz-Gemeinschaft (2 Milliarden), Deutscher Forschungsgemeinschaft (1,5) und Max-Planck-Gesellschaft (1,2). Im Unterschied zu diesen anderen Riesentankern hat die Leibniz-Gemeinschaft aber Probleme mit ihrem Profil. Um das zu schärfen, hat der 65jährige Soziologe Karl Ulrich Mayer seinen Lehrstuhl in Yale verlassen und ist als erster hauptamtlicher Präsident an die Spitze des Wissenschaftverbundes getreten, der seit 1997 den Namen des barocken Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz trägt. Neue Prägnanz will Mayer der „Patchwork-Familie“ seiner Institute dadurch verschaffen, daß er sie zum Instrument der Forschungspolitik der Bundesländer macht und ihre internationale Attraktivität steigert. „Doktoranden und Post-Docs aus der ganzen Welt“ soll sie zukünftig „anlocken“ (Deutsche Universitäts-Zeitung, 7/2010).

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