© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/10 16. Juli 2010

Einwurf: Notizen zur Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika, Folge zehn (Schluß)
Der Triumph ist nur vertagt
Arthur Hiller

Der Schlußpfiff in Johannesburgs Soccer City ist verhallt, und die Bilder, auf denen Iker Casillas als Kapitän des neuen Weltmeisters triumphierend den Siegespokal in die Lüfte schwingt, beginnen außerhalb Spaniens bereits zu verblassen. Schon sind einschlägige Verlage im Wettlauf mit der Zeit dabei, die eindrucksvollsten WM-Fotos für die obligatorischen Bildbände auszuwählen, die in Bälde allüberall zu kaufen sein werden. Für das deutsche Publikum kann ihre Auflage diesmal etwas höher kalkuliert werden, denn die Erinnerung, die es zu bewahren hat, ist eine erfreuliche. Joachim Löws Équipe war es zwar nicht vergönnt, aus Südafrika den vierten Stern für das DFB-Trikot mitzubringen. Zum Ehrentitel eines „Weltmeisters der Herzen“ hat es jedoch erneut und noch überzeugender als 2006 gereicht. Man mußte nicht einmal ein schwarzrotgoldener Parteigänger sein, um die Leistungen der deutschen Nationalmannschaft beachtlich zu finden. Das Staunen über ihre Auftritte gegen England und Argentinien war weltweit zu vernehmen. Zahlreichen Stars aus allen möglichen Teams wurde vorab zugetraut, daß sie dem Turnier ihren Stempel aufdrücken würden. Die meisten von ihnen blieben jedoch blaß. Aus dem Kader von Joachim Löw hatte man nach dem Ausfall von Michael Ballack hier keinen einzigen auf der Rechnung. Nun sind Namen wie Thomas Müller und Mesut Özil international ein Begriff, und einen Bastian Schweinsteiger oder einen Philipp Lahm wird niemand mehr so schnell unterschätzen.

Es hat schon Weltmeisterschaften gegeben, in denen das deutsche Team mit einem schwächeren Potential und entsprechend schlechteren Leistungen bis ins Endspiel vorgedrungen ist. Dennoch ging es diesmal als Außenseiter an den Start. Diese Rolle ist jedoch nicht mit jener eines Underdog zu verwechseln, in der sich die DFB-Auswahl vor vier Jahren befand. 2006 schien der Abstand des von Jürgen Klinsmann berufenen Kaders zur Weltspitze eklatant, und die Hoffnungen ruhten darauf, daß bei Turnieren die Qualität nicht unbedingt der ausschlaggebende Faktor sein muß.

Die Bilanz des zurückliegenden Turniers ist trotz des neuerlichen dritten Platzes eine günstigere. 2006 wuchs die deutsche Nationalmannschaft über sich hinaus, um im Halbfinale an ihre Grenzen zu stoßen. 2010 blieb sie im Entscheidungsspiel gegen Spanien unter ihren Möglichkeiten, die sie im Viertelfinale zu erkennen gegeben hatte. Im Vergleich mit dem derzeit perfektesten Team der Welt wurde ihr demonstriert, wo die Meßlatte liegt, wenn man ein Turnier gewinnen will. Sie hat dabei ein deutlich besseres Bild abgegeben als die Elf, die 2008 im EM-Endspiel unterlag. Es ist ihr zuzutrauen, daß sie schon bei der nächsten Europameisterschaft 2012 den Spieß umdreht.

Bereits in zweieinhalb Monaten, am 3. September, beginnt die Qualifikation dafür. Der erste Gegner für die DFB-Auswahl heißt dann Belgien.

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