© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/10 16. Juli 2010

Gärtnern mit Napoleon
Zuflucht vor der Sommerhitze: Zwei Ausstellungen weisen Wege zum Paradies
Sebastian Hennig

Zwei grasbewachsene Erdpyramiden stehen sich im Branitzer Park gegenüber. In der einen inmitten des Sees wurde Pückler neben seiner Ehefrau und Gefährtin Lucie von Hardenberg bestattet. Auf der Spitze der anderen blickt man herüber. Das Geländer, welches den Ausguck umschließt, trägt die an einen Koranvers angelehnte Inschrift: „ Gräber sind die Bergspitzen einer fernen neuen Welt.“

In dem 1966 in der Zeitschrift Antaios erschienenen Aufsatz „Der mythische Ursprung des Gartens“ schreibt Hugo Fischer über den altägyptischen Garten: „Gott erteilt den Zivilisationsauftrag, die Landschaft durch kultivierende Arbeit zu einem Garten Gottes, Wiege, Grab und verherrlichende Wohnstätte zu verwandeln (…) Dieser Garten schlummert, bebt und erwacht im Zaubertraum eines unnennbaren Geheimnisses, des Atum, des Namenlosen (…) Der Garten des diesseitigen Lebens ist die Station auf dem Wege zum jenseitigen Sternengarten, der räumlich und zeitlich nicht mehr begrenzt ist.“

Die Sommerhitze treibt auch in der gemäßigten Zone die Menschen in die Zuflucht der Gewässer, Parks und Gärten. Vor allen dem Stadtbewohner wird im Schatten jahrhundertealter Wipfel und am Rande von Wasserbecken die Paradies-Symbolik eines jeden Gartens nahegehen. Zugleich mit den Ausuferungen der Bauspekulation der Gründerjahre vollzog sich als Gegenbewegung die Durchgrünung der Stadtriesen aus dem Geiste der Landschaftsgärtnerei. Nur so bleibt eine Stadt wie Berlin überhaupt erträglich. Durch Lenkung der Naturkräfte und Besinnung auf landschaftliche Gegebenheiten entstanden segensreiche Oasen inmitten der wachsenden Wüsten der Mietskasernen. Zur imperialen Umgestaltung von Paris durch Napoleon III. gehören auch vier große Parkanlagen, die die Stadt einfassen. Der Bois de Boulogne ist ein Gemeinschaftswerk mit dem Fürsten Pückler, der darüber anmerkt: „Mit dem Kaiser der Franzosen im Bois de Boulogne wörtlich gearbeitet.“ Des Fürsten rastlose Seele ist ergriffen von Zukunftsplänen: „... so möchten wir beide wohl noch etwas ausführen (…), was die Welt in der Art vielleicht noch nie gesehen!“

Einige Jahrzehnte zuvor verwüsteten die Soldaten Napoleon I. Pücklers Besitz in Muskau, und er selbst geriet in Gefahr, als Spion exekutiert zu werden. Wohl wäre er seinem kaiserlichen Gärtnerkollegen gern noch einmal im Felde begegnet. Aber Napoleon III. wohnte während des Feldzuges im Exil auf Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel, vormals auch eine Residenz des „Königs Lustig“ Jerome Bonaparte, der allerdings kaum Spuren an der Gestaltung hinterließ. Und der rüstige Greis Pückler verschlief bereits die Schlacht bei Königsgrätz im Feldlager. Die Teilnahme am Feldzug gegen Frankreich 1870/71 wurde dem über Fünfundachtzigjähren verwehrt.

Im Marstall des Schlosses Branitz wird nun im Rahmen des Jubiläumsjahres zum 225. Geburtstag des Fürsten eine Ausstellung des Napoleon-Museums Thurgau gezeigt. Gartengerätschaften und die klassizistischen Porträtbüsten der kaiserlichen Hoheiten sind aufgestellt zwischen alten Plänen und Ansichten der von ihnen angeregten und oft handgreiflich mitgestalteten Gartenschöpfungen.

Eine Darstellung aus den letzten Lebensjahren zeigt Napoleon I. ganz unmilitärisch mit übereinander gekreuzten Füßen, den Oberkörper auf einen Spaten gestützt. Auf St. Helena folgt er gezwungenermaßen den resignierenden letzten Worten aus Voltaires „Candide“: „… wir müssen unsern Garten bestellen.“ Ein Lebenskreis schließt sich damit, denn schon die Eltern auf Korsika betätigten sich landwirtschaftlich. Die Mutter Letizia betreute eine Maulbeer-Baumschule, der Vater Charles Marie führte die Kultivierung von Broccoli und Zucchini in Ajacco ein.

Als Bestandteil der landesweiten Ausstellung „Mut & Anmut. Frauen in Brandenburg – Preußen“ wurde im Obergeschoß des Schlosses der Wohnraum der Fürstin nach historischen Quellen mit den vorhandenen Originalmöbeln wieder eingerichtet.

Die beiden Ausstellungen „Einfach kaiserlich! Die Gärten der Familie Bonaparte“ im Marstall des Schlosses Branitz und „Die grüne Fürstin. Lucie von Hardenberg – die Frau Fürst Pücklers“ im Schloß Branitz sind bis zum 31. Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 03 55 / 7 51 50

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