© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/10 16. Juli 2010

„Für Deutschland!“
20. Juli 1944: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg über die Verschwörer gegen Hitler und die Misere der Bundeswehr
Christian Dorn

Als Urgroßneffe des Widerstandskämpfers Karl Ludwig von und zu Guttenberg ist Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ein gerngesehener Gast, wenn es gilt, das Vermächtnis des 20. Juli 1944 zu würdigen. Schließlich zählt sein Urgroßonkel – Herausgeber der 1943 eingestellten monarchistischen Monatsschrift Weiße Blätter und Mitarbeiter in der Abwehr von Admiral Wilhelm Canaris – zu den Widerstandskämpfern, die nach dem 20. Juli 1944 verhaftet wurden. Im April 1945 wurde er von der SS ermordet.

Sie hatten bewußt ihr Leben für ihr Vaterland geopfert. Es ist eine Hingabe, darauf hatte Guttenberg bereits im vergangenen Jahr hingewiesen, die den heutigen Eliten fremd sein dürfte. Seinerzeit noch Bundeswirtschaftsminister, hatte er in der Gedenkstätte Plötzensee das Erbe des 20. Juli gegen das „hochmütige Urteil“ der Gegenwart verteidigt, die den Verschwörern gern ein mangelndes demokratisches Bewußtsein attestiere. Diesmal hatte der  Verteidigungsminister angekündigt, im Hotel Esplanade über „die Bedeutung der Zivilcourage für den Staatsbürger in Uniform“ zu referieren. Doch so fragwürdig schon die Modevokabel „Zivilcourage“ schien, sowenig entsprachen in der vergangenen Woche Guttenbergs Ausführungen dem Titel seines Vortrags, den er mit einer historischen Bezugnahme eröffnete: „Hier“, im damals am Potsdamer Platz befindlichen Hotel, hatte sich ein Teil der Verschwörer mehrfach getroffen, zuletzt am 20. Juli 1944, das Ergebnis des Umsturzversuchs abwartend.

In diesem Zusammenhang verwies zu Guttenberg auf die Heterogenität des Widerstands („es waren Rechte und Linke“) und kritisierte abermals die „selbstgefälligen Urteile der Achtundsechziger“. Das Zitat des Verschwörers Henning von Tresckows, dem zufolge „der sittliche Wert eines Menschen“ erst dort beginne, „wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben hinzugeben“, ernte heute feingeistigen Spott. Dies dürfe uns nicht irritierten, sagte Guttenberg. Denn diese Gesellschaft bedürfe der womöglich altmodisch klingenden Begriffe wie Mut oder Tapferkeit „mehr denn je“: Auch heute gelte es, „Zeugnis abzulegen“. Entsprechend seien die Männer des 20. Juli als Vorbilder zu ehren, da erst die Pflege ihres Erbes Identität schaffe. Die öffentlichen Gelöbnisse der Bundeswehr am Jahrestag des Umsturzversuchs seien ein Schritt hierzu.

Mit Blick auf die schwelende Debatte zur Abschaffung der Wehrpflicht und der Einführung einer Berufsarmee stellte der Verteidigungsminister klar, daß diese das Modell vom „Staatsbürger in Uniform“ nicht tangiere. Die gegenseitige Treue von Staat und Soldat werde dadurch nicht angetastet. Gleichwohl kritisierte er, wie letzterer durch ersteren im Stich gelassen wird. Den Soldaten fehle die politische und gesellschaftliche Rückendeckung für ihre Aufgaben, ihr Einsatz werde in der Heimat nicht angemessen gewürdigt.

Auch müßten „unsere Truppen verstehen, wozu sie eingesetzt werden“. Es könne nicht sein, daß die „Rules of Engagement“, also die Einsatzrichtlinien, im Bundestag abgestimmt werden. Guttenberg weiter: „Kämpfen, ja, auch Kämpfen ... das heißt auch Tod und weitere Opfer.“ Vor deren Unvermeidbarkeit „haben wir zu lange die Augen geschlossen“. Die Politik lege generell ein viel zu „Wahltag-affines Verhalten“ an den Tag – eine Kritik, die auch auf ihn selbst zutreffe, merkte der CSU-Politiker an. Die Gesellschaft habe zudem den zentralen Begriff des „Dienens“ vergessen.

„Funktionierende Strukturen“ der „dramatisch und notorisch unterfinanzierten Bundeswehr“ werden dadurch aber kaum herzustellen sein, wie Guttenberg freimütig einräumt. Eine Armee von 252.000 Soldaten, die bei 9.000 Soldaten im Einsatz ihre Obergrenze erreicht habe, sei international nicht vermittelbar. Effizienz sähe anders aus. Offenbar braucht es für entsprechende Veränderungen ein ungeahntes Maß an Mut. Der Verteidigungsminister jedenfalls gesteht explizit, daß die Politik – anders als die Soldaten – diesen bislang nicht aufbringt. Und Guttenberg? Ohne das Einsatzfeld Afghanistan ein einziges Mal zu erwähnen, schließt er sein Bekenntnis mit einem hehren: „Für Deutschland!“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen