© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/10 09. Juli 2010

UMWELT
Schizophrenes Verhalten
Volker König

In den Medien gähnt jenseits der Fußball-WM das Sommerloch, und das sprudelnde Ölloch im Golf von Mexiko wird partout nicht gestopft – doch das Thema BP ist von den Titelseiten verschwunden. Dabei handelt es sich um eine der größten ökologischen Katastrophen. Die Ignoranz der US-Regierung bei der Ölpestbekämpfung nährt da nicht ohne Grund Verschwörungstheorien: BP war immerhin einer der größten Sponsoren des Präsidentschaftswahlkampfes von Barack Obama. Nach dessen Amtsantritt blieben die Sicherheitskontrollen für Tiefseebohrungen so lasch wie unter George W. Bush. Zwischen den Petro-Konzernen und den Aufsichtsbehörden gab es enge Verquickungen.

Die Situation mutet schizophren an: Zwar sind viele US-Bürger angesichts der Bilder von verölten Stränden und sterbenden Seevögeln schockiert, andererseits pflegen sie ihren ressourcenvergeudenden Lebensstil weiter, als wäre nichts geschehen. Denn Erdöl ist das Elixier des American way of life, es wird für seine Wegwerfartikel benötigt und als Triebmittel einer Gesellschaft, die Automobilität wie ein Freiheitsrecht betrachtet. Da wundert es nicht, daß die vom Verbraucheranwalt und Ex-Präsidentschaftskandidaten Ralph Nader gegründete Organisation „Public Citizen“ mit ihrer Boykottaktion gegen den BP-Konzern wenig Zuspruch findet. Als Shell 1995 seine vergleichsweise harmlose Plattform Brent Spar in der Nordsee versenken wollte, beherrschte das wochenlang die Schlagzeilen. Naders Aufruf zur Enteignung des Ölmultis unterschreibt kaum jemand. „Wir sind eine Petroleum-Nation. BP ist Teil dieser Kultur. Keiner will eine Ölpest, aber alle wollen Auto fahren“ zitierte die Baseler Zeitung kürzlich treffend einen US-Bürger.

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