© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/10 02. Juli 2010

Preußen – eine humane Bilanz: Eine Serie von Ehrhardt Bödecker / Teil 3
Sklaverei wurde nicht geduldet
Ehrhardt Bödecker, Gründer des „Brandenburg-Preußen Museums Wustrau“, berichtigt gängige Preußenklischees / Auszüge aus seinem neuesten Buch

Der Sklavenhandel, vorwiegend mit Schwarzen, war finanziell äußerst lukrativ und lag daher im 18. Jahrhundert sozusagen in der Luft. Durch den Sklavenhandel hat England im 18. Jahrhundert einen ungeheuren Reichtum erworben. England war selbst im Vergleich mit Spanien und Portugal die größte Sklavenhändlernation der Weltgeschichte. Aus finanziellen Gründen betätigten sich im Jahr 1690 unter dem Kurfürsten Friedrich III., dem späteren König Friedrich I. in Preußen, auch in Brandenburg Kaufleute im Sklavenhandel, um dem verarmten Brandenburg finanziell zu helfen.

Doch Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, duldete auch hier keine Unmenschlichkeit, keine Sklaverei. So kam selbst der nur aus wenigen hundert Sklaven bestehende Sklavenhandel durch brandenburgische Kaufleute schon zum Anfang des 18. Jahrhunderts in Brandenburg Preußen zum Erliegen. Die Kaufleute hatten in Pillau ein Schiff bauen lassen und nannten es „Friedrich Wilhelm zu Pferde“. Sie stellten einen holländischen Kapitän zu seiner Führung ein und ließen es mit Sklaven über den Atlantik nach Südamerika in die Karibik fahren. Nach den nur spärlich vorhandenen Unterlagen fuhr das Schiff zweimal über den Atlantik und wurde dann von holländischen und französischen Schiffen versenkt. Eine Fortsetzung des Sklavenhandels wäre schon deswegen schwierig gewesen, weil der Handel nur mit gecharterten Schiffen hätte fortgesetzt werden können. Brandenburg verfügte nicht über weitere eigene Schiffe.

Neben diesen tatsächlichen Gegebenheiten war aber die Entscheidung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. für die Beendigung des Sklavenhandels maßgebend. Diese Unterbindung des Sklavenhandels wurde von Friedrich dem Großen fortgesetzt. Er ließ sogar in seinem „Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten“ in den Paragraphen 196 und 197 des 5. Titels vom II. Teil die aktive und passive Sklaverei verbieten. Nach Schätzungen sind im 18. Jahrhundert etwa zehn Millionen schwarze Menschen von den afrikanischen Stammeshäuptlingen an die Sklavenhändler, vorwiegend an Engländer, aber auch an Dänen und Holländer, verkauft worden. Etwa fünf Millionen Sklaven sind dann später auf den Schiffstransporten umgekommen. Weitere zehn Millionen Schwarze kamen bereits auf dem innerafrikanischen Transport zur Küste ums Leben, haben es daher nicht bis zum Verkauf an die Händler geschafft.

Ideologische Preußengegner machen in diesem Zusammenhang geltend, daß es zwar keine Sklaverei in Preußen gegeben habe, aber dafür in seiner Auswirkung eine gleichartige, die persönliche Freiheit einschränkende sogenannte Leibeigenschaft. Es ist zutreffend, daß in den osteuropäischen Staaten, hierzu gehörten die östlichen Gebiete Preußens, Rußland, Polen und andere Staaten, ein Verhältnis von Bauern zu den Grundherren existierte, das mit Leibeigenschaft oder Erbuntertänigkeit bezeichnet wurde. Es handelte sich um Frondienste der Bauern, die es im Westen (bei Kurfürsten und weltlichen wie kirchlichen Fürsten als Hand- und Spanndienste) ebenfalls gegeben hatte. Sie hatten in Preußen eine rechtlich andere Ausprägung. Keinesfalls kann ein Sklave mit einem erbuntertänigen Bauern in Preußen gleichgesetzt werden. Es fehlt schon am privatrechtlichen Eigentum, das der Sklavenhalter durch Kauf am Sklaven erwarb. Der Sklave war Sache und unterlag der freien Verfügungsmacht seines Herrn. Eine solche Rechtlosigkeit der Bauern bestand nur in Rußland vor und nach der Zarin Katharina II., die 1785 mit dem Erlaß der „Schalowannaja Gramota“ die Leibeigenschaft zu Gunsten des Adels noch verschärfte.

Die Gutsherren konnten über die leibeigenen Bauern wie lebendes Privateigentum nach eigenem Ermessen verfügen. Mit der Schenkung von Landbesitz an „verdiente“ Adlige wurden die bisher freien Bauern automatisch Leibeigene. Auf diese Weise wurden zu einer Zeit, in der in Deutschland die Bauernbefreiung vorbereitet wurde, nach Schätzungen von Historikern über eine Million Bauern in Rußland „rechtlose Seelen“. Der erbuntertänige Bauer in Preußen dagegen war Subjekt mit Rechten und Pflichten, die von der Rechtsordnung geregelt waren. Dem Erbuntertänigen standen Bauernschutz und Fürsorgepflichten der Gutsherren gegenüber. Es gehörte zu den Pflichten des Gutsherrn, für Gebäude, Wohnung, Getreide, Saatgut, Ackergerät und andere Werkzeuge und für ein bescheidenes, aber ausreichendes Alterseinkommen zu sorgen. Diese Pflichten haben die preußischen Gutsherren sehr ernst genommen. Nach der gesetzlichen Aufhebung der Erbuntertänigkeit (Bauernbefreiung) im Jahre 1807 bemerkte Karl Marx: In den meisten preußischen Provinzen sicherte Friedrich II. den Bauern ihre Eigentumsrechte. Nach der Eroberung Schlesiens zwang er die Gutsherren „zur Wiederherstellung der Hütten, Scheunen usw., zur Ausstattung der Bauernhöfe mit Vieh und Gerät“ (Hans Bentzien in „Friedrich II.“).

Nach der Aufhebung der Erbuntertänigkeit konnten viele der befreiten Bauern ihre neue Lage nicht meistern, denn dazu gehörte vor allem, für den eigenen Unterhalt und für den von Frau und Kindern aufzukommen. Nicht wenige sehnten sich nach der Lebenssicherheit zurück, die der Gutsherr ihnen bis zum Tode geboten hatte.

Das geschichtlich gewachsene Verhältnis der Gutsherren zu ihren „untertänigen“ Bauern mit der Sklaverei gleichzusetzen, ist in höchstem Maße unseriös. Selbst mit den russischen Zuständen wäre eine solche Gleichsetzung unzulässig, Heimat, Familie und Sprache wurden dem Sklaven genommen. Er war ein „Nichts“ und durfte beliebig verkauft, sogar getötet werden. Dieses Schicksal widerfuhr nicht einmal den zaristischen Leibeigenen.

Fortsetzung in der nächsten JF

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