© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/10 02. Juli 2010

Die blutige Jagd geht weiter
Internationale Walfangkommission: Konferenz festigt Status quo / Schutz der Wale bleibt ungewiß
Volker König

Die marokkanische Hafenstadt Agadir machte bislang einmal Weltgeschichte, als 1911 das deutsche Kanonenboot „Panther“ dort vor Anker ging, um dem von der französischen Kolonialpolitik in seiner Souveränität bedrohten Sultanat Marokko waffenklirrende deutsche Solidarität zu versichern. 99 Jahre später wurde Agadir erneut Schauplatz einer historischen Begebenheit. Vorige Woche tagte hier die Internationale Walfangkommission (IWC). Bei dem Treffen ging es auf Betreiben der letzten drei Waljägernationen Japan, Island und Norwegen darum, nach einem Vierteljahrhundert wieder feste Fangquoten einzuführen.

Island, Japan und Norwegen wollen Abschußquoten

Die Konferenz hatte bereits mit einer Panne begonnen, denn pünktlich zu deren Start wurde bekannt, daß der IWC-Vorsitzende Cristián Maquieira aus Chile aus gesundheitlichen Gründen nicht anreisen könne. Statt dessen vertrat ihn Anthony Liverpool, Botschafter des Antilleninselstaates Antigua und Barbuda in Japan. Der IWC-Vize reiste dann auch prompt auf japanische Kosten an und ließ sich von der Walfängernation auch sein Luxushotel finanzieren. Der Verdacht der Korruption stand da nur allzu sinnfällig im Raum.

Bei der Tagung sollten die 88 Mitgliedsstaaten des IWC über einen Textentwurf abstimmen, der für den Artenschutz eine Katastrophe geworden wäre: Japan, Island und Norwegen strebten eine jährlich festgelegte Abschußquote für Großwale an. Zu den dann jährlich zum Abschuß freigegebenen 1.500 Großwalen hätten auch die vom Aussterben bedrohten Finnwale – nach dem Blauwal der größte Meeressäuger auf Erden – gehört. Für Artenschützer eine fatale Forderung, die alle Bestrebungen seit dem 1986 erreichten Walfangmoratorium zunichte gemacht hätte. Das Ansinnen der drei Länder scheiterte, die Konferenz ging vorige Woche zerstritten auseinander. Der Fang von Großwalen bleibt international verboten, Fangquoten für die Jäger gibt es nicht.

Die drei Walfangstaaten Japan, Island und Norwegen allerdings erkennen das Jagdverbot überhaupt nicht an oder berufen sich auf umstrittene Ausnahmeregelungen. Im Grunde bleibt es also beim Status quo, so das Fazit des Artenschutzexperten des World Wide Fund For Nature in Deutschland, Volker Homes.

Naturschutzorganisationen wie der WWF oder Pro Wildlife werteten den Ausgang der Konferenz von Agadir dennoch als einen Erfolg. Deren Hauptsorge war, daß der Walfang auch in Schutzgebieten, namentlich dem Südatlantik, wieder zugelassen würde. Gerade die planktonreichen Gewässer am Rande der Antarktis sind für viele Großwale eines der letzten Nahrungsreservoir geworden. Daß Japan dort auch Jagd auf die Meeressäuger machte, rief insbesondere Australien und Neuseeland auf den Plan. Unter den drei Walfänger-Nationen spielt Japan und seine aktuelle Mitte-Links-Regierung ohnehin die unrühmlichste Rolle. Konferenzteilnehmer aus europäischen Nationen, aber auch nichtstaatliche Beobachter der Konferenz hatten schon seit längerem ihren Unmut kundgetan, daß das Land der aufgehenden Sonne zielstrebig kleine Karibikstaaten als Bundesgenossen für seine Politik in den IWC einschleust oder genauer: einkauft. Thilo Maack von Greenpeace Deutschland vermutet, daß Japan insgesamt sogar die Vertreter von 24 IWC-Teilnehmerstaaten mehr oder weniger bestochen hat, in seinem Sinne abzustimmen.

„Wissenschaftliche Zwecke“ und Berufen auf Tradition

Japan hatte 1986 dem Moratorium auch nur deshalb zugestimmt, weil darin der Walfang zu „wissenschaftlichen Zwecken“ zugelassen wurde. Seither wurden rund 33.600 Wale getötet – das Gros von Japan. Dessen „wissenschaftliche Zwecke“ werden seither aber nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wie sonderbar, daß in einem Land der Hochtechnologie ausgerechnet bei dieser gewiß hochwichtigen „Erforschung“ der Meeressäuger sich partout keine Resultate einstellen wollen. Und noch sonderbarer, daß im sonst so klinisch reinlichen Nippon die sezierten Wale anschließend nicht als Tierkadaver entsorgt werden, sondern statt dessen in noblen Sushi-Restaurants serviert werden.

Island wiederum versuchte, seinen Walfang als „Tradition“ zu rechtfertigen, und warb sogar für den offenen Verkauf von Walfleisch: eine Verzweiflungsreaktion des Inselstaates, denn ihm schwant, daß er vor einer grundsätzlichen Entscheidung in Sachen EU-Beitritt steht. Nun liegt es an der Europäischen Union, bei einem ökologischen Reizthema endlich einmal Grundsatztreue zu beweisen: Eine Bedingung für die Aufnahme Islands in die EU muß dessen Verzicht auf die Waljagd werden.

Die Internationale Walfangkommission (IWC) im Internet: www.iwcoffice.org

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