© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

Tod des „Kronen“-Chefs Hans Dichand: Die deutsche WAZ-Gruppe streckt die Fühler aus
Der letzte Zar tritt ab
Hans B. von Sothen

Einer der großen Zeitungsmacher ist tot. Hans Dichand, seit deren Wiedergründung im Jahr 1958 Chef der Wiener Kronen Zeitung, starb in einem Wiener Krankenhaus im Alter von 89 Jahren.

Fast drei Millionen Leser täglich, eine Auflage von rund einer Million und 670.000 Abonnenten hat das größte Blatt Österreichs. Gemessen an der Einwohnerzahl des Landes ist die Krone  die größte Tageszeitung Europas: Sie hat eine Reichweite von 40 Prozent. Zum Vergleich: Die Bild-Zeitung erreicht gerade einmal 18 Prozent der Deutschen.

Groß und außergewöhnlich war auch Dichands Verhandlungsgeschick. Es sicherte ihm die monatliche Auszahlung eines „Vorabgewinns“ von etwa 700.000 Euro, ganz gleich, wieviel der Verlag verdiente. Das führte dazu, daß die gemeinsame Verlagsgesellschaft der Tageszeitungen Krone und Kurier, die Mediaprint, im letzten Geschäftsjahr 2008/09 trotz großen Erfolgs bei den Lesern einen operativen Verlust von 6,5 Millionen Euro erwirtschaftete. Der Jahresgewinn fiel auf 13 Millionen, und die Eigenkapitalquote sank von ursprünglich 41 auf zum Schluß nur noch 15 Prozent.

Seine unabhängige politische Linie erboste die WAZ’ler

Der Essener Verlagsgruppe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), die zu 50 Prozent an der Mediaprint beteiligt ist, war diese Entwicklung ein Dorn im Auge. Und nicht nur dies – vor allem Dichands unabhängige politische Linie (er galt als EU-kritisch und steuerte einen regierungskritischen Kurs in der Asyl- und Migrationsfrage) hatte für die traditionell SPD-nahen Konzernherren von der Ruhr immer wieder Anlaß zur Kritik gegeben.

So setzte Dichand gegen den Willen der WAZ seinen jüngsten Sohn, Christoph Dichand (45), der politisch als liberal gilt, im Jahr 2003 als Chefredakteur der Krone ein. Der Jurist wurde zwar von seinem Vater aufgebaut, doch wird ihm nachgesagt, er sei eher Unternehmer als Publizist. Dagegen gilt seine Frau Eva (38) als das große publizistische Talent der Familie. Sie ist Herausgeberin der erfolgreichen Wiener Gratiszeitung Heute, offiziell kein Teil der Dichand-Gruppe, dafür aber politisch ganz im Mainstream. In Wien ist das Blatt noch vor der Krone die meistgelesene Zeitung.

Hinter den Kulissen tobt nun der Kampf um den Einfluß: Noch vor etwa vier Wochen waren die WAZ’ler bereit, ihre Krone-Anteile zu verkaufen. Damals lief eine Angebotsfrist aus, die der Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe Christian Nienhaus seinen Mediaprint-Mitgesellschaftern, also der Familie Dichand und der Wiener Raiffeisenbank-Gruppe gesetzt hatte.

Doch ein Angebot ist in Essen nie eingetroffen. Dabei weiß man inzwischen, daß es hinter den Kulissen in Wien hoch hergegangen sein muß. Christoph Dichand und seine Ehefrau (gegen die es innerhalb der Familie starke Vorbehalte geben soll) waren für einen Kauf der WAZ-Anteile, seine Mutter Helga (73) und seine Geschwister strikt dagegen.

Dichands ältester Sohn Michael (48) gilt als eher linksorientierter Biobauer und bislang beim Blatt seines Vaters kaum engagiert, was sich aber ändern könnte. Auch die Politik scheint sich dem Erwerb der WAZ-Anteile durch die Raiffeisenbank, die traditionell als ÖVP-nah gilt, energisch widersetzt zu haben. Denn Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat dies offenbar hinter den Kulissen zu verhindern gewußt.

Familiäre Streitigkeiten lassen nichts Gutes ahnen

Mit dem Tod Hans Dichands fällt der WAZ-Gruppe nun in den Schoß, wofür sie bisher vergeblich gekämpft hatte: vor allem der Wegfall des sündteuren monatlichen „Vorabgewinns“ für Dichand. Zusätzlich bekommt die WAZ einen eigenen Geschäftsführer in der Krone und damit wieder einen Fuß in die Tür. Zusätzlich will die WAZ-Gruppe auch dem Dichand-Sohn einen zweiten Chefredakteur an die Seite stellen – eine klare Provokation der Familie. Auch ein Verkauf der WAZ-Anteile steht nun nicht mehr zur Diskussion. Im Gegenteil: Großspurig ließ WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach (SPD) die Familie wenige Stunden nach dem Tod Dichands wissen, man sei bereit, nunmehr selbst die Anteile der Familie zu kaufen.

Doch die Nachfolgefrage ist völlig ungeklärt. Der Inhalt des Testaments (neben der Eigentümerfrage der Krone geht es um Dichands Privatvermögen von etwa 750 Millionen Euro) ist noch unbekannt. Derweil läßt die Familie Dichand verlauten, es werde alles beim alten bleiben. Doch die offenbar tiefen familiären Streitigkeiten lassen für eine künftige gemeinsame Linie nichts Gutes ahnen. Nicht wenige rechnen daher in der nächsten Zeit mit einem „Chaos in der Krone“ – mit nicht überschaubaren Folgen für das künftige politische Klima in Österreich.

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