© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/10 25. Juni 2010 Meldungen Stauffenberg: Kalte und mitleidlose Arroganz BERLIN. Angelsächsische Historiker wie Robert Norton und Richard Evans, so trumpft Thomas Karlauf, der Biograph des Charismatikers Stefan George, auf, hätten anläßlich des Walküre-Films mit Tom Cruise als Stauffenberg in Zeit und Süddeutscher Zeitung 2009 zwar den kritischen Begleitchor spielen dürfen. Zum Tathintergrund des 20. Juli 1944 könnten sie jedoch nichts beitragen (Sinn und Form, 1/2010). Denn beide operierten mit hoffnungslos veralteten Parametern, denen man aber auch in Hamburger und Münchner Redaktionen noch anhänge. So wollte Norton schon in seiner George-Biographie (JF 42/07) beweisen, daß ein schnurgerader Weg vom Meister zum Führer ging, während Evans mit Stauffenberg hadere, weil dessen politische Ideale den Test auf Demokratietauglichkeit nicht bestünden. Allerdings ist auch Karlauf noch Gefangener plumper Ahistorizität, wenn er jammert, wie unendlich schwer wir uns mit den um das Geheime Deutschland zentrierten Phantasiewelten der Brüder Stauffenberg täten. Die kalte, mitleidlose Arroganz ihres antiliberalen, antidemokratischen politischen Testaments vom 4. Juli 1944 lasse selbst den zartesten Hauch christlich-humaner Gesinnung vermissen, die heute noch in den Texten Bonhoeffers oder Moltkes unmittelbar berühre. Zudem sei unstrittig, daß Claus Stauffenberg keinen Anlaß hatte, über die Widersprüche zwischen Adolf Hitlers politischen Zielen und der Georgeschen Welt nachzudenken, solange die deutschen Truppen siegreich waren. Warum Karlauf gleichwohl meint, für ihn fange das Fragen nach der Wirkkraft des dichterischen Wortes im Zusammenhang mit dem 20. Juli gerade erst an, bleibt bei derartig generösen Zugeständnissen an traditionelle ideologische Schemata einigermaßen rätselhaft.
Erste-Sätze Jeder bekommt seine Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer. Heimito von Doderer: Ein Mord, den jeder begeht, München 1938 |