© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

Kolumne
Entschärft die globalen Finanzwaffen
Rolf Stolz

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Jedoch: Er lebt auch davon. Und der alte Satz, daß die Wirtschaft unser Schicksal ist, gilt um so mehr, wenn dilettierende KanzlerInnen sich als fatales Fatum entpuppen. Nun ist die Wirtschaft oft verworren und rätselhaft. Auch von den großen Steuermännern und Wirtschaftskapitänen ist sie nur sehr begrenzt zu steuern. Dennoch wird kein vernünftiger Mensch die Wirtschaft als so unbeeinflußbar ansehen wie das Wetter und die Ziehung der Lottozahlen.

Zwar kann der Normalbürger nicht wie US-Investor George Soros mit viel Geld in die Wirtschaftsabläufe eingreifen, aber immerhin wirkt er auf diese durch sein politisches Engagement zumindest indirekt und graduell ein. Allerdings wird ihm von Eine-Welt-Fanatikern immer eingeredet, heute gäbe es keine Möglichkeit mehr zu national begrenztem und selbstbestimmtem Wirtschaften, obwohl der widersprüchlich-ungleichzeitige Prozeß der Globalisierung keine zu 100 Prozent globalisierte Welt geschaffen hat und schaffen wird.

Die Prediger des neoliberalen Profitparadieses nutzen dabei einen Demagogentrick – sie setzen eine Tatsache (die weltweite Verflechtung durch die Globalisierung) gleich mit einer sehr zweifelhaften Ideologie (dem Globalismus). Methodisch ganz ähnlich gehen übrigens die Neostalinisten vor, die die unumgängliche Orientierung auf soziales Handeln in einen Topf werfen mit ihren fixen Ideen von sozialistischer Politik und so jede Kritik an ihren Utopien als kaltherzig abzustempeln versuchen.

Dem Globalismus liegt die undialektische Vorstellung zugrunde, immer größere und zentralisiertere Wirtschaftseinheiten seien ein Wert an sich, alles müsse exportierbar, importierbar und käuflich sein und eine allmächtige Weltregierung sei das höchste Ziel. Faktisch sollen die demokratischen Nationalstaaten und mit ihnen die Demokratie auf symbolische Restfunktionen reduziert werden. Zwei Lager stehen sich gegenüber: Das derer, die via Brüssel, Wall Street, Weltbank die Menschen für die geplatzten Spekulationsblasen bluten lassen, und das Lager eines selbstbestimmten nationalen Widerstands gegen das Ausplündern der Menschen, der Rohstoffe und der Biosphäre. „Wir sind einer globalen finanziellen Kernschmelze sehr, sehr nahe gekommen“, sagte US-Notenbank-Chef Bernanke im Lehman-Bro­thers-Debakel. Entweder die Staaten entschärfen diese Finanz-Atomwaffen – oder sie werden uns in künftigen Wirtschaftskriegen um die Ohren fliegen.

 

Rolf Stolz war Mitbegründer der Grünen und lebt heute als Publizist in Köln.

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