© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/10 18. Juni 2010

Frisch gepresst

Gründervater. Hätte es die Bild im 15. Jahrhundert schon gegeben, wäre sie am 1. Mai 1415  wahrscheinlich mit der Schlagzeile „Kann er Aufschwung?“ erschienen. Wie sich herausstellen sollte, konnte er – Friedrich I., der soeben auf dem Konstanzer Konzil mit der Markgrafschaft Brandenburg ausgestattete Ansbacher Begründer der Hohenzollerndynastie – dies zumindest so gut, daß sein „Haus“ 500 Jahre allen historischen Stürmen trotzte, bevor Kaiser Wilhelm II. im November 1918 das Licht ausmachte. Doch während der Biographeneifer sich wieder und wieder auf die Kaiser und Könige der Hohenzollern warf, las man Ausführlicheres über ihren gründerväterlichen Urahn zuletzt 1878 in einem Beitrag zur Allgemeinen Deutschen Biographie. Solche Vernachlässigung stachelte Jan von Flocken an, sich dieser vergessenen Figur an der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit zu widmen. Herausgekommen ist ein „interpolierend aus verstreuten Quellen“ geschaffenes, höchst lesenswertes Porträt einer Herrschergestalt und ihrer Epoche (Friedrich I. von Brandenburg. Krieger und Reichsfürst im Spätmittelalter, Kai Homilius Verlag, Berlin 2009, gebunden, 174 Seiten, Abbildungen, 22,90 Euro).

 

Erinnerungen. Angesichts der zeithistorischen Aufsätze bayerischer Gymnasiasten, so Hermann Glaser, sollte man die ganze Pisa-Panik einfach vergessen. Glaser, Jahrgang 1928, einer der einfluß-reichsten „Geschichtsideologen“ der alten Bundesrepublik, urteilt als Juror des vom Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg ausgelobten Preisausschreibens „für herausragende Leistungen im Bereich Zeitgeschichte“. Aus dem, was er von den seiner Meinung nach kritisch-reflektierten Exempeln in bester „literarischer und wissenschaftlicher Tradition“ zu bewerten hatte, sind die vier besten Arbeiten nun veröffentlicht worden: voran die des Siegers Philipp Werner, der das Fotoalbum und die Tagebücher seines Großvaters analysiert hat, eines Berufssoldaten, der in Polen und Rußland kämpfte. Daß der Regensburger Gymnasiast sich dabei – arg unkritisch – primär von Autoren wie Jochen Böhler oder Hannes Heer leiten ließ, verrät vor allem etwas über die Breitenwirkung, die die Deutungsmuster von Jan Philipp Reemtsmas Anti-Wehrmachtsschau erzielen konnten. Weitere Arbeiten des von Doris Katheder und Matthias Weiß edierten Band gelten dem „Volkstrauertag nach 1945 als Mittel der kollektiven Sinnstiftung“, der Dokumentation von Flucht und Vertreibung am Beispiel einer schlesischen Familie sowie einem Nürnberger Fall der „Arisierung“ eines jüdischen Betriebs (Unsere Geschichte. Zwischen heißer Erinnerung und „cooler“ Reflexion. Ausgezeichnete Facharbeiten des Pirckheimer-Preises 2009 der Akademie CPH. Echter Verlag, Würzburg 2010, broschiert, 260 Seiten, Abbildungen, 14,80 Euro).

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