© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/10 18. Juni 2010

Eine zwecklose Zweckgesellschaft
Euro-Stabilisierungsgesetz: Keine Entlastung für notleidende EU-Länder / Hohe Kreditrisiken für Deutschland
Wolfgang Philipp

Sie ist es also, die den Euro „retten“ soll: eine nach luxemburgischem Recht gegründete „Zweckgesellschaft“ ohne nennenswertes Kapital. Das Konstrukt wurde so als Teil des berüchtigten 750 Milliarden-Euro-Rettungschirms vom Europäischen Rat am 9. Mai beschlossen (JF 20/10). Schon der Begriff erregt Mißtrauen, denn Zweckgesellschaften standen im Mittelpunkt der IKB-Finanzkrise von 2007 (JF 36/07), sie sind kompromittiert und kein „Aushängeschild“ mehr für den Markt.

Die neue EU-Zweckgesellschaft soll, obwohl selbst nicht kreditwürdig, im Kapitalmarkt bis zu 440 Milliarden Euro als Darlehen aufnehmen (Passivgeschäft). Dieses Geld bleibt aber nicht im Verfügungsbereich der Gesellschaft. Es wird vielmehr als Darlehen (Aktivgeschäft) an finanzschwache Staaten des Euro-Raumes wie Griechenland & Co. weitergegeben, falls diese am Markt Kredite nur noch zu hohen Zinsen oder gar nicht mehr erhalten können. In einem ersten Schritt muß die Zweckgesellschaft also die Geldgeber am Kapitalmarkt überzeugen, daß sie eine zuverlässige Adresse ist, sonst fließt kein Cent. Was aber hat sie zu bieten?

Dem sogenannten Euro-Stabilisierungsgesetz vom 22. Mai (StabMechG/BGBl. I S. 627) ist zu entnehmen, daß die Zweckgesellschaft mit den aufgenommenen Geldmitteln Kredite nur dann gewährt, sofern dies „zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedsstaates erforderlich“ ist. Solche Kredite sind also ex definitione „faul“: Zahlungsunfähigkeit ist die absurdeste Kreditvoraussetzung der Geldgeschichte. Sehr fraglich ist auch, ob die Zweckgesellschaft am Markt für ihre Darlehen so günstige Zinssätze erreichen kann, daß sie den Darlehensempfängern bessere Zinskonditionen bieten kann als der Markt.

Damit die Zweckgesellschaft überhaupt zu Geld kommt, bürgen – jeweils mit einem von ihrer relativen Größe abhängigen Anteil – die 16 Euro-Staaten für die Kredite, die die Gesellschaft aufnehmen soll. Auf Deutschland entfallen etwa 148 Milliarden Euro. Die deutschen Gesetze sprechen von „Gewährleistungen“. Es ist aber unklar, ob die Kreditgeber der Zweckgesellschaft daraus unmittelbar Rechte herleiten können.

Diese Bürgschaften sind schon deshalb absurd, weil auch solche Euro-Staaten sich verbürgen, die gleichzeitig Empfänger von Notkrediten der Zweckgesellschaft sein sollen. Diese verbürgen sich also letztlich für ihre eigenen Schulden: Wer seine Schuld nicht bezahlen kann, kann auch nicht aus einer Bürgschaft leisten. Ungeklärt ist, wer in dann entstehende Lücken einspringen soll. Es ist darüber hinaus bei weiteren Staaten damit zu rechnen, daß sie aus der Bürgschaft nicht antreten können – mit der Folge, daß sich das Problem immer mehr auf Deutschland konzentriert. Für den nachdenklichen Anleger ist von vornherein klar, daß der „Bürgschaftsschirm“ von 440 Milliarden Euro riesige „Löcher“ hat, weil ein Teil der „Bürgschaftsstaaten“ seinerseits nicht zahlungsfähig ist. Auch ist möglich, daß die Zweckgesellschaft wegen Forderungs- bzw. Zinsausfällen seitens ihrer Darlehensnehmer hohe Verluste macht, von denen niemand weiß, wer sie tragen soll. Kein vernünftiger Mensch kann dieser Zweckgesellschaft überhaupt Kredit geben, die Risiken sind zu hoch und unübersichtlich.

Dieses absehbare Ergebnis ist für einen Anleger auch aus anderen Gründen zwingend: Die Leistungen der Zweckgesellschaft dienen nur dazu, die Zahlungsfähigkeit von notleidenden Mitgliedsstaaten des Euro-Währungsgebiets zu sichern. Das Problem dieser Staaten ist aber nicht in erster Linie die Zahlungsfähigkeit, das heißt ihre Liquidität, sondern ihre Schuldensituation, die in einem Unternehmen einer Überschuldung vergleichbar wäre.

Durch Kredite kann man aber eine Überschuldung nicht beseitigen. Das Kreditprogramm der Zweckgesellschaft ist nichts anderes als eine gigantische Konkursverschleppung: Es wird lediglich eine Zeitlang Liquidität bereitgestellt, ohne daß die Ursachen der Zahlungskrise der Empfängerländer beseitigt werden. Dies könnte nur dadurch geschehen, daß diese zeitweise keine Zinsen zahlen bzw. durch Vereinbarung mit den Gläubigerbanken deren Forderungen um 20 bis 30 Prozent kürzen. Nur eine solche Umschuldung wäre eine Sanierungsmaßnahme, die Bereitstellung von Liquidität ist es nicht. Die Kreditgewährungen der Zweckgesellschaft finden nur bis zum 30. Juni 2013 statt.

Da sich bis zu diesem Tage die Schuldensituation der betroffenen Länder nicht bessern dürfte, könnte sich der „Rettungsschirm“ als Katastrophe erweisen: Den notleidenden Ländern ist nicht geholfen, die Zweckgesellschaft ist pleite, die bürgenden Staaten können zum Teil ihren Bürgschaftsverpflichtungen nicht nachkommen oder aber verschlechtern ihre Haushaltssituation. Ungeklärt ist auch, ob Staaten wie Deutschland, die aus der Bürgschaft tatsächlich zahlen, Rückgriffsansprüche gegen die Schuldnerländer und ihre Mitbürgen haben. Auch müßte vereinbart werden, daß die bürgenden Staaten wenigstens eine angemessene Provision für die übernommene Bürgschaft (Avalprovision) erhalten.

Was hier abläuft, ist das – bislang – absurdeste Finanzabenteuer der Geldgeschichte, die EU-Zweckgesellschaft wird nicht mehr bewirken als die Schildbürger, die in ihr dunkles Rathaus in Wassereimern das Licht zu tragen versuchten.

Foto: Den Euro reparieren: Neue Kredite können eine Überschuldung nicht beseitigen

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