© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/10 11. Juni 2010

Deutsche Farbe
Zur Geschichte von Schwarz-Rot-Gold
Karlheinz Weissmann

Schwarz-Rot-Gold geht als deutsches Nationalsymbol auf das Zeitalter der Befreiungskriege gegen Napoleon zurück. Studenten hatten einen großen Teil der Freiwilligen in den Kämpfen gestellt und bildeten nach deren Ende die treibende Kraft einer neuen Nationalbewegung. In einigen ihrer Gruppen entstand die Absicht, eine umfassende Reform der studentischen Korporationen durchzuführen. Die hochfliegenden Pläne suchte man im Oktober 1818 durch Zusammenschluß in einer „Allgemeinen Burschenschaft“ zu verwirklichen.

Bei der Gründungsversammlung wurde auch die Frage nach den zukünftigen Abzeichen der Burschenschaft aufgeworfen. Der Sitzungsbericht vermerkt: „Die ehemalige deutsche Farbe erschien dazu die passendste.“ Da es eine solche „deutsche Farbe“ in der Vergangenheit aber nie gegeben hatte, mußte die Forderung eine gewisse Ratlosigkeit verursachen. Erst am folgenden Tag erteilte der Abgeordnete der Jenaer Burschenschaft, Robert Wesselhöft, die Auskunft, die Farben seien Schwarz, Rot und Gold gewesen.

Vielleicht geht die Vorstellung auf den Historiker Heinrich Luden aus Jena zurück, der dem Studenten wohl einen Hinweis auf den schwarzen, rot bewehrten Adler im goldenen Feld des kaiserlichen Wappens gegeben haben mag. Für Wesselhöft lag die Idee aber noch aus ganz anderem Grund nahe, denn diese Farben entsprachen zum Teil denjenigen der Jenaer Burschenschaft: Schwarz und Rot.

Die Jenaer Burschenschaft bildete die eigentliche Keimzelle der studentischen Reformbewegung. Sie war bereits am 12. Juni 1815 gegründet worden, kurz vor Ende der Befreiungskriege. Von den ersten elf Mitgliedern hatten acht oder neun dem Freikorps Lützow angehört. Wahrscheinlich trugen sie ihre Waffenröcke an der Universität weiter. Die Uniform der Lützower war ursprünglich aus der Not der Stunde geboren. Der Geldmangel bei der Aufstellung des Freikorps 1813 hatte eine Neuanfertigung von Uniformen verboten. Deshalb beschloß man, die Zivilkleidung der Freiwilligen einheitlich schwarz zu färben. Die roten Vorstöße wurden wohl hinzugefügt, um die Röcke einem militärischen Aussehen anzunähern.

Von dieser Uniform des Freikorps leitete die Jenaer Burschenschaft ihre eigenen Farben Schwarz und Rot ab, und dementsprechend zeigte auch die berühmte Fahne, die die Jenaer am 31. März 1816 von den „Frauen und Jungfrauen“ der Stadt zum Geschenk erhielten, übereinander drei Tuchstreifen in Rot-Schwarz-Rot, aufgelegt – als Symbol des Deutschtums – ein gestickter, goldener Eichenzweig. Bei der Gründungsversammlung der Allgemeinen Teutschen Burschenschaft von 1818 haben die Vertreter aus Jena dann ihre Farben, die denen des alten Reiches zu gleichen schienen, als Bundeszeichen vorgeschlagen. Zu einer endgültigen Beschlußfassung ist es allerdings nicht gekommen. Dennoch übernahmen zahlreiche Verbindungen die Farben der Jenaer. Durch den Zustrom süddeutscher Studenten, die stärker von den Ideen der Französischen Revolution beeinflußt waren, begann aus den roten und schwarzen Farben mit der goldenen Verzierung allmählich so etwas wie eine deutsche Trikolore in Schwarz, Rot und Gold zu entstehen.

Trotz massiver staatlicher Unterdrückung der Patrioten ist der „Dreifarb“ im Vormärz über die Studentenschaft hinaus zum Zeichen für das Streben nach Einheit und Freiheit geworden. Auf dem Hambacher Fest von 1832 wurde er zum ersten Mal öffentlich gehißt, und nach der Revolution im Frühjahr 1848 legte die Nationalversammlung Schwarz-Rot-Gold für die Handels- und Kriegsflaggen fest, nur die Einführung einer Nationalflagge wurde verschoben. Ein entsprechender Beschluß hat sich dann erübrigt, da die Revolution viel schneller als erwartet zusammenbrach.

Damit waren auch alle Versuche gescheitert,  die „Deutsche Frage“ von unten zu lösen, und Schwarz-Rot-Gold führte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur noch ein Schattendasein, verschwand allerdings niemals ganz aus dem Bestand der nationalen Symbole. Denn im Bismarck- wie im Habsburgerreich blieben die Farben das Abzeichen aller „Gesamtdeutschen“: der Demokraten, der Liberalen und der Völkischen. Das erklärt auch, warum sie beim Zusammenbruch der Mittelmächte wieder in Erscheinung treten konnten.

Am 9. November 1918 veröffentlichten ausgerechnet die radikal-nationalistischen Alldeutschen Blätter einen Aufsatz unter der Überschrift „Schwarz-Rot-Gold“, in dem es hieß: „Die Geburtsstunde Großdeutschlands naht! (…) Schmückt wie Wien eure Häuser mit den schwarz-rot-goldenen Fahnen, tragt Schleifen und Bänder Schwarz-Rot-Gold und zeigt aller Welt von Aachen und Königsberg bis Bozen, Klagenfurt und Laibach, daß wir sind ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennend und Gefahr.“

Daß der Zusammenschluß des Restreichs und Deutschösterreichs durch die Sieger des Weltkriegs verboten wurde, hatte nach dem ersten Enthusiasmus eine folgenschwere Diskreditierung von Schwarz-Rot-Gold zur Konsequenz, denn Hugo Preuß, der „Vater“ der Weimarer Verfassung, wollte mit seinem Vorschlag, Schwarz-Weiß-Rot aufzugeben und Schwarz-Rot-Gold anzunehmen, weniger an die 48er Tradition anknüpfen, vielmehr den Wunsch nach einer großdeutschen Republik zum Ausdruck bringen.

Als deren Verwirklichung unmöglich gemacht war, zogen Nationalliberale wie Deutschnationale ihre ursprüngliche Unterstützung zurück, und es kam in der Nationalversammlung zu jenem fatalen „Flaggenkompromiß“, der festlegte, daß die Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold seien, aber die Handelsflagge Schwarz-Weiß-Rot mit den Reichsfarben in der inneren oberen Ecke.

Die neue Flagge der Republik war nicht einmal in allen Bereichen des Staates durchzusetzen. Insbesondere in der Reichswehr gab es eine dauernde Reserve gegen „Schwarz-Rot-Senf“, „Schwarz-Rot-Sch ...“. Der eigentliche „Flaggenstreit“ wurde allerdings außerhalb der Institutionen geführt. Schwarz-Weiß-Rot und Schwarz-Rot-Gold waren sichtbarer Ausdruck für die Zweiheit der Nation, und das Scheitern von Weimar bedeutete auch das Scheitern seiner Farben. Es gehörte zu den ersten Maßnahmen Hitlers, sie an den öffentlichen Gebäuden niederholen und durch Schwarz-Weiß-Rot und die Hakenkreuzflagge ersetzen zu lassen.

Daß Schwarz-Rot-Gold nach 1945 wieder zur deutschen Nationalflagge werden konnte, war nicht sofort absehbar. Den ersten Schritt machen die Kommunisten, denn schon im Verfassungsentwurf der SED vom 22. November 1946 war Schwarz-Rot-Gold als Hoheitszeichen für einen zukünftigen deutschen Gesamtstaat vorgeschlagen worden. Die Mäßigung der radikalen Linken in diesem Punkt – nirgends war wie 1919 die Rede von Rot als Nationalfarbe – entsprach der „Volksfrontstrategie“ und der Propaganda für einen „antifaschistisch-demokratischen Aufbau“.

Wesentlich zögerlicher war man in Westdeutschland. Im Parlamentarischen Rat wurde aber zuletzt bei nur einer Gegenstimme als Artikel 22 in das Grundgesetz aufgenommen: „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.“ Dabei ging es ausdrücklich um den symbolischen Ausdruck für die Wahrung der staatsrechtlichen Kontinuität. In der Erläuterung zur Flaggenverordnung der Bundesrepublik vom 7. Juni 1950 hieß es entsprechend: „Die Bundesrepublik hat (…) die Symbole der Weimarer Republik übernommen. Sie bringt damit auch in ihrem Wappen und Flaggen zum Ausdruck, daß in ihr das Deutsche Reich fortbesteht.“

Eine dem Flaggenstreit der Weimarer Republik vergleichbare politische Auseinandersetzung war in der Bundesrepublik undenkbar. Zur Durchsetzung von Schwarz-Rot-Gold hat sicher auch beigetragen, daß die Farben durch den Aufstand vom 17. Juni 1953 in der SBZ wirklich zum Ausdruck des Strebens nach politischer Freiheit und nationaler Selbstbestimmung geworden waren. Verhindern konnte der Aufstand die Vertiefung der Spaltung allerdings nicht. Formell hielten beide Teilstaaten aber am Ziel der Wiedervereinigung fest. Aus diesem Grund hatte die DDR 1949 zusammen mit ihrer Verfassung für eine „Deutsche Demokratische Republik“ auch die schwarzrotgoldenen Farben eingeführt.

Im Zuge der Berlin-Krise begann sich das SED-Regime aber allmählich von der gesamtdeutschen Linie zu lösen, und die neue Abgrenzung machte es auch durch eine Veränderung der Staatsflagge deutlich: Am 1. Oktober 1959 ließ Ulbricht in der Mitte der Trikolore das Staatsemblem mit Hammer und Zirkel einsetzen. Im Volksmund erhielt die neue Flagge die Bezeichnung „Spalterflagge“, und die Bundesrepublik verbot das Führen der Hoheitszeichen der DDR auf ihrem Territorium. Diese symbolpolitische Hallstein-Doktrin verlor erst ihre Bedeutung, als die sozial-liberale Regierung im Zuge der Entspannungspolitik das Verbot aufhob. Aber erst mit dem Besuch Erich Honeckers in Bonn 1987, bei dem – wie für einen Staatsbesuch – die Flaggen der Bundesrepublik und der DDR nebeneinander aufgezogen wurden, endete jeder Alleinvertretungsanspruch auf diesem Feld.

Obwohl der ursprüngliche Sinn von Schwarz-Rot-Gold wie das Wiedervereinigungsgebot im Grundgesetz lange in Vergessenheit geraten waren, erwies sich Schwarz-Rot-Gold im Zuge der „sanften Revolution“ von 1989 als das eigentliche gesamtdeutsche Symbol. Sehr früh trugen Demonstranten gegen das SED-Regime schwarzrotgoldene Fahnen mit oder zeigten entsprechende Abzeichen. Der ganze Wahlkampf zum Bundestag 1990 wurde von diesen Farben dominiert, und selbstverständlich bestätigte das Parlament die Festlegung der Bundesflagge, die damit zur deutschen Nationalflagge im eigentlichen Sinn wurde.

Fotos: Kaiserliches Wappen (um 1300): Schwarzer, rot bewehrter Adler im goldenen Feld, Freiwilliger des Freikorps Lützow (1813): Schwarzgefärbte Zivilkleidung mit roten Vorstößen, Fahne der Jenaer Urburschenschaft (1815): Goldener Eichenlaubzweig auf Schwarz und Rot, Zug zum Hambacher Fest 1832: „Dreifarb“ der Patrioten, noch in umgekehrter Reihenfolge, Barrikade vor dem Berliner Schloß, März 1848: Zeichen für das Streben nach Einheit und Freiheit, Plakat zur Reichspräsidentenwahl 1925: Porträt des Zentrums-Kandidaten Wilhelm Marx auf schwarzrotgoldenem Grund, DDR-Flagge mit herausgeschnittenem Emblem: Sinnbild der „sanften Revolution“ von 1989/90, „Germania“ von Philipp Veit (1793–1877): Nationalallegorie aus der Frankfurter Paulskirche

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