© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/10 11. Juni 2010

Frisch gepresst

Für Krieger. Carl von Clausewitz (1780–1831) wenigstens dem Namen nach zu kennen, ihn mit dem preußischen Militär in Konnex zu bringen und vielleicht auch das Sätzchen über den Krieg zitieren zu können, der die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei, das gehört auch 2010 immer noch zum Allgemeinwissen. Daß es indes eine ganze Reihe bedeutender Köpfe gab, die als unmittelbare Vorläufer von Clausewitz oder als Zeitgenossen ebenfalls darin brillierten, „den Krieg zu denken“, weiß nur eine Handvoll von Militärhistorikern. Und unter denen wiederum dürfte Jean-Jacques Langendorf gerade über Clausewitz’ Umfeld am besten orientiert sein. So war es nur eine Frage der Zeit, mit diesem Arkanwissen nicht länger hinterm Berg zu halten und uns mit Constantin von Lossau (1767–1848) einen „Clausewitz vor Clausewitz“ zu präsentieren. Aus dem theoretischen Werk dieses Generals wählte Langendorff die 1815 anonym publizierte Schrift „Der Krieg“  aus (Für wahre Krieger. Karolinger Verlag, Wien-Leipzig 2009, gebunden, 238 Seiten, 24 Euro), nur in wenigen Exemplaren überlieferte Reflexionen. Wer das vornehme Herumgestochere der westlichen Interventionstruppen in Afghanistan an Lossaus Forderung mißt, im Krieg alle Kräfte zu konzentrieren, auch die radikalsten Mittel anzuwenden, um den „außerordentlichen Zustand“ der Gewaltanwendung möglichst schnell zu beenden – siegreich natürlich –, kommt dabei allemal ins Grübeln.

 

Ernst Jünger. Auch wenn man fast vierzig Beiträger zum Leben und Werk Ernst Jüngers vereint: Mehr als eine „Zwischenbilanz“ kann es nicht werden. „Ernst Jünger – eine Bilanz“ (Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2010, gebunden, 536 Seiten, 99 Euro) erscheint also mitten im Forschungsprozeß etwas hochgegriffen. Aber dies tut der Leistung der drei Herausgeber Natalia Zarska, Gerald Diesener und Wojciech Kunicki natürlich keinen Abbruch. Besonders lobend muß man die polnische Federführung dieses Unternehmens herausstreichen. Der Breslauer Germanist Kunicki ist uns aus „Siebzig verweht“ als Jüngers Briefpartner bekannt. Die breite Rezeption Jüngers in Polen, die nie unter bundesdeutschen Verklemmungen litt, ist wesentlich auf Kunicki zurückzuführen. Sie findet hier ihren Niederschlag darin, daß allein ein Drittel der Studien von polnischen Jünger-Experten stammt. Besonderes Interesse verdient darunter Jan Pacholskis Spurensuche zu Jüngers Fontane-Rezeption, die freilich nur ein Einstieg ist, da der Verfasser die Beziehung zu dem Ur-Märker und „Ur-Freund“ Martin von Katte auf Zolchow kaum andeutet. Der Band schließt mit Aufsätzen der Jünger-Biographen Helmuth Kiesel und Heimo Schwilk, der aus der Korrespondenz mit Ernst Klett aufschlußreiche finanzielle Details zu Jüngers „Autorschaft“ verrät. 

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