© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/10 11. Juni 2010

UMWELT
Präsidiale Krebswarner
Michael Howanietz

Vor drei Jahren erhöhte die EU-Lebensmittelbehörde EFSA den Grenzwert für Bisphenol A (BPA) von 10 auf 50 Mikrogramm pro Tag und Kilogramm Körpergewicht. BPA war bereits damals eine der umstrittensten Kunststoffzutaten. Zahlreiche Studien beschäftigten sich mit den Gefährdungspotentialen. Während die Industrie-finanzierten Erhebungen jede Gesundheitsrelevanz in Abrede stellten, sahen das 90 Prozent der öffentlich finanzierten Untersuchungen anders (JF 42/09). Auch die US-Zulassungsbehörde FDA trat ins Lager der Warner über. Ihre ablehnende Haltung wird nun vom 1971 zur Beratung des US-Präsidenten eingerichteten President’s Cancer-Panel (PCP) bestätigt. 50 Mediziner listen in ihrem Bericht zu den Umweltursachen für Krebserkrankungen („Reducing Environmental Cancer Risk“) krebserregende Verbindungen auf, mit denen Menschen regelmäßig in Kontakt kommen.

BPA – es findet sich in Geschirr, Schnullern, CDs, Lebensmittelverpackungen oder Kassenbons – steht an prominenter Stelle in der PCP-Studie, ebenso das in Sperrholz und Spanplatten enthaltene Formaldehyd. Die Verbreitung von krebserregenden Substanzen und deren Bedrohung für die menschliche Gesundheit seien bisher grob unterschätzt worden, befindet das US-Expertengremium. Auch wenn noch großer Forschungsbedarf bestehe, sei klar, daß krebserregende Substanzen in der Umgebung oder am Arbeitsplatz zu Zehntausenden Krebsfällen pro Jahr führten, resümiert Richard Clapp von der Boston University School of Public Health. Die Forderung der Forscher, daß Krebserreger und andere Gifte aus Essen, Wasser und Luft verschwinden müssen, ist legitim, aber in einem von Industrielobbyisten geprägten politischen Umfeld wohl illusorisch.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen