© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/10 04. Juni 2010

Kühler Realismus
Melancholisch: Bilder von Edward Hopper in Rom
Sebastian Hennig

Die narkotisierende Aura US-amerikanischer Filme und Romane beruht nicht zuletzt auf ihrer Verklärung durch die Synchronfassung bzw. der Übersetzung. Auch die Popularität der Gemälde von Edward Hopper beruht auf einer Übersetzung, allerdings keiner verklärenden, sondern einer reduzierenden, durch die Reproduktionsverfahren.

Der Besuch der überschaubaren und aufschlußreich gegliederten Ausstellung auf dem römischen Corso macht einmal mehr deutlich, daß Edward Hopper ein ganz anderer Maler war und als solcher durch seine nachgelassenen Bilder noch stärker wirkt, als der Parallelruhm bunter Drucke vermittelt. Dank der vortrefflichen Auswahl und Anordnung tritt der Maler unverkennbar mit seinem Wollen hervor. Es wird kein Mythos bestätigt, sondern ein Künstler in seinen Voraussetzungen und in seinem Zusammenhang vorgestellt. Als Präambel der Ausstellung findet sich der Ausspruch Hoppers auf einer Wand: All I ever wanted to do was paint sunlight on the side of a house.

Im ersten Raum der Ausstellung entsteht der Eindruck von Etüden eines um dreißig Jahre verspäteten Leibl-Kreises. In delikaten Brauntönen Selbstporträts, ein stehender Frauenakt, Kunststudent und Lehrer bei der Korrektur vor der Staffelei, dazu kraftvolle wie präzise Bleistiftstudien von Händen und Köpfen. Eine Fülle von Studien zeugt von der gewissenhaften Vorbereitung der Gemälde. Das Bild The Sheridan Theatre (1937) ist umgeben von den vorbereitenden Kreideskizzen, auf denen dem Schwung der Balustrade, den Schattenkehlen und Geländerkurven nachgegangen wurde. Die Hopper-Ikonen Gas und Nighthawk sind nur durch die Skizzenblätter vertreten. Wie auf der Kreidezeichnung Straße und Felsen die Straßenkurve im Außenbogen vom wiegenden Laubwerk gesäumt ist und innen die Felsenklippe hart hervorragt diese Bändigung eines groben Werkzeugs zu subtilster Schilderung von Stofflichkeit erinnert an die späten Arbeiten Adolph von Menzels, diese mit dem spröden Zimmermannsbleistift hingemachten Blätter.

Eine Reihe von Blättern zeigt Nachzeichnungen von Gemälden Manets. Das Kunstverständnis des Amerikaners Hopper ist eurozentrisch ausgerichtet. Wie die Renaissancekünstler sich in Rom durch antike Rudimente zu eigener Leistung erregten, so geht Hopper von 1906 bis 1910 fast jährlich nach Paris. Eine Reihe der so entstandenen und angeregten Bilder die Seine-Quais, Notre-Dame, den Louvre zeigt die Ausstellung, die Motivation, Arbeitsweise und Werdegang des Malers eindrucksvoll veranschaulicht.

Aber das Interesse an dem kreisrunden Schiffahrtssignal an der Brücke in Paris kein Platz für Himmel, Wasser oder Pflanzen zeigt schon auf Hoppers eigene Kondition. Wie auf seinen späteren Bildern dehnt sich auf zwei Kreidezeichnungen die Leere zwischen albernen Gegenständen. Ein Projektil, ein Matchbox-Halter und ein Tontierchen sind mit großer Raffinesse, aufdringlich in ihrer Körperlichkeit modelliert, wiedergegeben. Aber sie stehen völlig beziehungslos auf dem Skizzenblatt, schweben auf der Leere des Papier-Weiß. Mit der Übernahme von Illustrationsaufträgen hält Hopper sich über Wasser. Er bemerkte dazu: Ich habe mich immer für Architektur interessiert, aber die Verleger wollten Menschen, die mit den Armen wedeln. Auch auf seinen berühmten Bildern wirkt der menschliche Körper wie ein unvermeidbares Ärgernis, eine Dissonanz in den klaren Räumen.

Die hängenden Stahlbögen der Queensborough Bridge (1913) verschwinden im Dunst, er wendet die Pariser Erfahrungen auf die heimatliche Stadtlandschaft an. Das moderne New York mit den Wolkenkratzern interessiert ihn nicht. Anstatt der auftrumpfenden Brooklyn Bridge malt er lieber die glanzlosen Orte der Stadt. Blackwell Islands (1928): zwei Fünftel azurnes Wasser, darüber ein Fünftel das schattige Band der Speicher und Mühlen des Hafens, und der verbliebene Raum breitet sich als lichter Himmel. Die Malerei bewirkt eine Ruhe, die nicht langweilig ist. Ein solches Bild wäre herausgekommen, hätte Canaletto die Mühle aus dem späten 19. Jahrhundert auf der Guidecca gemalt.

1920 hat er die erste Einzelausstellung im Whitney Studio Center. Es ergaben sich keine Verkäufe und nur geringe Resonanz. Zehn Jahre später zeichnet sich ein Umbruch ab. Neugegründete Museen wie das Museum of Modern Art erwerben seine Arbeiten. Er stellt auf der Biennale in Venedig aus.

Schließlich entdeckt er Truro bei Cape Cod, Massachusetts, als Ort für seine Malerei. Dort malt er immer wieder das einfache Gehöft Cobbs Barns: eine Parallele zu den zeitgleich in Deutschland wirkenden Tendenzen. Landschaften von Georg Schrimpf, Franz Lenk oder Curt Querner kommen einem in den Sinn. Und Friedrich Wilhelm Murnau, der seit 1927 in Hollywood und in der Südsee Filme dreht, die man als völkische Essays bezeichnen kann. Produzent Wil-liam Fox läßt dafür am Lake Arrowhead für ihn ein ostpreußisches Dorf errichten. Dieser neoklassischen Ästhetik, die avantgardistische Überhitzungen hinter sich läßt und die nachträgliche Projektion der Goldenen Zwanziger als Farce entlarvt, ist Edward Hopper zuzuordnen. Die Ausstellung läßt das deutlich werden.

Die Ausstellung Edward Hopper ist noch bis zum 13. Juni im Fondazione Roma Museo zu sehen. Anschließend wird sie vom 25. Juni bis 17. Oktober in der Fondation de lHermitage in Lausanne gezeigt.

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