© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/10 04. Juni 2010

Iberische Gefahr für den Euro
Spanien: Die kreditbefeuerte Baukonjunktur brachte Bauruinen und Schuldenberge
Marco Meng

Ist Spanien der nächste Pleitekandidat? Nachdem die Immobilienblase geplatzt ist, sitzen die iberischen Sparkassen auf einem Berg fauler Kredite. Die Notverstaatlichung der Caja Sur ließ im Mai die europäischen Börsen erbeben. Weiteren spanischen Sparkassen droht das gleiche Schicksal. Zur Rettung der Caja Sur wurden aus dem Rettungsfonds der spanischen Banken 520 Millionen Euro freigegeben. Zuvor hatte die Zentralbank der Caja Castilla-La Mancha sogar mit neun Milliarden Euro unter die Arme greifen müssen.

Der von billigen Zinsen nach der Euro-Einführung und niedrigen Kreditanforderungen entfachte Bau-Rausch ist vorbei, Projekte wie Ciudad Valdeluz bei Guadalajara entpuppen sich als teuer erbaute Totenstädte. In den für 34.000 Einwohner erbauten Häusern leben heute gerade einmal 800 Menschen. Und das Tal des Lichts ist nur eine Geisterstadt von vielen. Die ersten Wohnungsbaugesellschaften haben schon Insolvenz angemeldet. In dem Sonnenstaat mit Immobilienspekulation schnelles Geld zu verdienen hat zu einer überdimensionierten Bauwirtschaft und völlig überbewerteten Objekten geführt, die wegen illusorischen Preisvorstellungen größtenteils leer stehen. Es ist im ersten Euro-Jahrzehnt mehr Wohnraum geschaffen worden als in Frankreich, Großbritannien und Deutschland zusammen (JF 31-32/09). 15 Prozent aller Eigenheime und Wohnungen (etwa drei Millionen) in Spanien stehen leer. Bei manchen Projekten ging das Geld sogar während der Errichtung aus Bauruinen schmücken die Costa del Sol. Auch große europäische Pensionsfonds haben hier mitgemischt. Die Banco Santander hat Ende 2009 die Notbremse gezogen und bis 2011 den offenen Immobilienfonds Banif Inmobiliario mit Einlagen von 3,3 Milliarden Euro gesperrt: Man wird bis dahin keine Anteile mehr zurücknehmen, und für Rückzahlungen gibt es keine Garantien.

Da der Bausektor zusammen mit der Tourismusindustrie eine der Hauptstützen der spanischen Wirtschaft ist, führt ihr Zusammenbruch zu einer Verschärfung der Krise. Zur heiß diskutierten Madrider Staatsverschuldung kommt die hohe Privatverschuldung vieler spanischer Bauherren. Rund 85 Prozent der Spanier sind Eigenheimbesitzer (in Deutschland etwa nur die Hälfte), Millionen Familien haben sich überschuldet, denn nach der Euro-Einführung lagen die Zinsen zeitweise sogar unterhalb der Inflationsrate. Die Verschuldung der privaten Haushalte hat mit 830 Milliarden Euro einen Rekord erreicht, während die Immobilienfirmen bei den Banken mit etwa 250 Milliarden Euro in der Kreide stehen.

Die Rezession verschärft das Problem: Die Arbeitslosenquote ist mit knapp 20 Prozent auf dem höchsten Stand seit mehr als 30 Jahren und damit doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt. Strukturreformen hatte man von seiten der Politik jahrzehntelang vernachlässigt, und so stellt auch der Internationale Währungsfonds (IWF) Spanien ein schlechtes Zeugnis aus. Als das Debakel um Griechenland offensichtlich wurde, hatte die sozialistische Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero die Skeptiker in der EU beschwichtigen wollen, indem man Brüssel einen Spar- und Reformplan vorlegte. Mit diesem will Madrid bis 2013 rund 50 Milliarden Euro einsparen und das Haushaltsdefizit von zuletzt 11,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf die zulässige Obergrenze von drei Prozent zurückschrauben. Dabei hat die Regierung 2009 sogar noch einen neuen Typ von Immobilienaktienfonds eingeführt, um den Wohnungsmarkt anzukurbeln und neue Investoren für spanische Immobilien zu gewinnen.

Namhafte Finanzexperten warnen, daß von Spanien eine viel größere Gefahr für die Stabilität der Euro-Zone ausgehe als von Griechenland, denn die dortige Wirtschaft ist viereinhalbmal so groß. Allein deutsche Geldinstitute haben laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich etwa 176 Milliarden Euro bei spanischen Schuldnern ausstehen. Muß auch hier der deutsche Steuerzahler einspringen? Daß Spanien, das im Laufe seiner Geschichte immerhin 13 Staatspleiten hingelegt hat, wegen des Euros heute nicht mehr so einfach Bankrott anmelden kann, scheint festzustehen. Die US-Ratingagentur Fitch stufte Spaniens Kreditwürdigkeit schon um eine Stufe auf AA+ zurück.

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