© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/10 04. Juni 2010

Quälinstrumente für die Steuerzahler
Krisentreffen: Die schwarz-gelbe Koalition entscheidet am Wochenende auf einer Kabinettsklausur, mit welchen Mitteln sie die Haushaltskrise meistern will
Paul Rosen

Eher lege sich ein Hund einen Wurstvorrat an, als daß Politiker ans Sparen denken, war schon eine von Franz Josef Strauß häufig zitierte Volksweisheit. An ihrer Richtigkeit hat sich bis heute nichts geändert. In einem haushaltspolitisch verheerenden Jahr 2010 mit einer Rekordneuverschuldung von 80 Milliarden Euro stehen die Berliner Politiker vor der Aufgabe, diesen Fehlbetrag bis 2016 ausgleichen zu müssen, weil dann die sogenannte Schuldenbremse des Grundgesetzes greift. Das bedeutet, daß die Schuldenaufnahme des Bundes auf höchstens 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt wird.

Man kann die Berliner Debatte über die eigentlich notwendigen Ausgabenkürzungen in zwei Teile unterscheiden: Bis zum 9. Mai, dem Tag der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, wurde über notwendige Einsparungen von zehn Milliarden Euro pro Jahr bis 2016 zur Einhaltung der Schuldenbremse geredet, ohne konkret zu werden. Seit dem Wahltag ist ein bekannter Wind aufgekommen: die Steuererhöhung.

Mag der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn Wolfgang Schäuble (CDU) auch als Quälinstrument in der bürgerlichen Koalition bezeichnen, der Finanzminister hat ganz gegen seine frühere Art mit einem Satz die Dinge auf den Punkt gebracht: Alle Bürger müssen zur Haushaltssanierung beitragen. Die Botschaft lautet also: Die Steuerzahler sollen die Suppe auslöffeln, die ihnen die Politiker eingebrockt haben.

Eine Kabinettsklausur am Wochenende soll etwas Klarheit bringen. Die Richtung ist bereits klar: Es geht in Richtung Einnahmeverbesserungen für die Staatskasse. Der andere und beschwerliche Weg einer Kürzung der Staatsausgaben wird wieder einmal gemieden, auch wenn CSU-Chef Horst Seehofer noch tönt: Höhere Abgaben würden die Philosophie des Koalitionsvertrags auf den Kopf stellen. Die FDP ist ohnehin seit ihrer Zustimmung zu den Euro-Garantien und zur Verschiebung der von ihr lauthals geforderten Steuerreform nicht mehr ernst zu nehmen.

Mit der von Seehofer angesprochenen Philosophie des Koalitionsvertrags ist es so eine Sache. Keinesfalls werden die Beschlüsse zum Beispiel eine Mehrwertsteuererhöhung von sechs Punkten vorsehen. Das wäre wirklich zu plump und würde die CDU bei den kommenden Landtagswahlen wegspülen. Für solche Beschlüsse würde es im Bundesrat keine Mehrheit geben, weil Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus da nicht mitspielen würde. Im Moment hält die Bundesratsmehrheit von Schwarz-Gelb ja noch, da in Nordrhein-Westfalen immer noch Jürgen Rüttgers mit der FDP regiert und nicht Hannelore Kraft, auch wenn die SPD-Politikerin sich zeitweilig bereits als neue Herrin der Staatskanzlei zu fühlen schien.

Da fällt der Blick auf komplizierte steuerliche Vorgänge, die man nutzen kann, um Geld in die Kasse zu bekommen. Möglich wäre etwa: Die ermäßigten Steuersätze der Mehrwertsteuer (sieben Prozent) werden komplett abgeschafft, und der allgemeine Steuersatz würde von 19 auf 18 Prozent gesenkt. Man hört im Geiste schon die Pofallas und Gröhes der CDU, die vor den Kameras erklären, es handle sich um einen Beitrag zur Steuergerechtigkeit und im übrigen habe die Koalition Wort gehalten und Steuern gesenkt. Bei diesem Kunstgriff kämen außerdem zwölf Milliarden Euro zusätzlich in die Kasse, wobei jedoch etwa die Hälfte an die Länder gehen würde.

Auch wenn man einräumen muß, daß die Erhöhung des ermäßigten Satzes auf 19 Prozent gerade bei den Nahrungsmitteln nicht so ganz einfach wäre, so stehen doch noch weitere Möglichkeiten zur Verfügung. Da ist etwa die Pendlerpauschale, eine von allen Finanzministern als Dorn im Auge empfundene Steuermäßigung für Menschen mit weiten Wegen zur Arbeit. Auch andere Steuervergünstigungen stehen auf dem Tableau.

Im Sinne einer nach ökologischen Maßnahmen lechzenden Öffentlichkeit könnte auf die Rabatte für die Industrie bei der Energiebesteuerung verzichtet werden. Die milliardenschweren Rabatte dienen dazu, die Kosten bei der Stahl- und Aluminium-Produktion nicht zu hoch zu treiben. Ihre Abschaffung würden den Umbau von der Industrie- zur Hartz-IV-Gesellschaft beschleunigen. Steuerermäßigungen zum Beispiel für die Betreiber von Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen, die allein den Bund zwei Milliarden Euro kosten, stehen natürlich nicht auf der Agenda; ebensowenig andere als grün empfundene Steuersubventionen.

Die Koalition wird ein Sparprogramm mit grünem Anstrich schnüren, das besonders die Bürger belasten, aber Ausgabenkürzungen möglichst vermeiden wird.

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