© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

Frisch gepresst

Friedrich Paulsen. Er war der „Leibphilosoph des deutschen Bildungsbürgertums“ (Der Spiegel) um 1900: der Nordfriese Friedrich Paulsen (1846–1908). Seine „Einleitung in die Philosophie“ brachte es zwischen 1892 und 1929 auf fabulöse 42 Auflagen. Sein „System der Ethik“ wurde in alle Weltsprachen übersetzt, 1913 sogar ins Chinesische. Einen Studenten am Volksschullehrerseminar im südchinesischen Changsa beeindruckte es so unmittelbar wie nachhaltig: Mao Zedong.  Der Paulsen-Kenner Klaus Kellmann greift daher nicht zu hoch, wenn er den wilhelminischen Philosophen und Pädagogen als „Ideengeber der chinesischen Revolution“ von 1949 wie der ebenso blutigen „Kulturrevolution“ einstuft. Dieser fernöstliche Aspekt seiner Wirkungsgeschichte ist aber nur einer von vielen, die die Beschäftigung mit dem erst im 100. Todesjahr in schüchternen Ansätzen wiederentdeckten Bildungsreformer (JF 50/08) lohnenswert machen. Kellmann konzentriert sich darauf, den Berliner Ordinarius, der als Begründer der politischen Bildung in Deutschland gilt und mithalf, den „lateinlosen Zugang“ zur Universität zu eröffnen, im Kontext der durch den Umbau Deutschlands vom Agrar- zum Industriestaat geprägten Schul- und Hochschulpolitik nach 1871 darzustellen (Friedrich Paulsen und das Kaiserreich. Wachholtz Verlag, Neumünster 2010, gebunden, 160 Seiten, 16,80 Euro). Obwohl der professionelle Volkspädagoge – Kellmann ist seit 1985 in der Kieler Landeszentrale für politische Bildung tätig  – nicht immer erfolgreich die von ihm verhöhnte „heutige besserwisserische Warte“ umschifft, gelingt ihm eine erstaunlich ausgewogene Deutung dieses „politischen Professors“.

 

Ulbrichts Offiziere. Vor zehn Jahren hatte der langjährige Deutschlandfunk-Redakteur Peter Joachim Lapp mit seinem Werk „Ulbrichts Helfer“ einen wunden Punkt in der DDR-Geschichte behandelt, der insbesondere bei den linken Apologeten ärgerlich aufstieß, störte der peinliche Hinweis auf den Beitrag vieler Wehrmachtsoffiziere beim Aufbau von Volkspolizei und NVA doch ihr Postulat, die DDR sei der „erste antifaschistische Staates auf deutschem Boden“ gewesen. Nun hat Lapp seine damalige Arbeit über die Soldaten, die aus der sowjetischen Gefangenschaft kamen, um ihre Fähigkeiten aus Leidensdruck oder auch Überzeugung in Ulbrichts Dienste zu stellen, überarbeitet und aktualisiert. Daß dem Regime schon damals seine Abhängigkeit von der Aufbauleistung ehemaliger Wehrmachtsangehöriger unangenehm war, beweist der Umstand, daß man sich nach 1960 in schäbigster Manier der „Mohren nach Verrichtung ihrer Schuldigkeit“ entledigte (Die zweite Chance. Wehrmachtsoffiziere im Dienst Ulbrichts. Helios Verlag, Aachen 2010, gebunden, 235 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro).

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen