© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

Eitelkeit macht dumm
Die Wissenschaft hat festgestellt: Das Nervengift Botox glättet zwar Falten, lähmt aber auch das Hirn
Richard Stoltz

Macht Schönheit dumm? Diese bange Frage stellen sich manche Leser der Zeitschrift Bild der Wissenschaft, die sich in ihrer neuen Juni-Ausgabe mit dem sehr beliebten Antifaltenmittel „Botox“ beschäftigt. Botox wird unter die Haut gespritzt – und alsbald glätten sich diverse Gesichtsfalten, besonders jene von vielen als unschön empfundenen Stirnfalten, die man üblicherweise und etwas maliziös als „Denkerstirn“ bezeichnet (ohne danach zu fragen, ob dahinter denn auch wirklich ein ernsthafter Denker wohnt).

Aber jetzt schlägt Bild der Wissenschaft Alarm. Botox, so heißt es in dem Artikel, glätte zwar ziemlich zuverlässig Gesichtsfalten, doch es mindere à la longue auch das Denkvermögen der mit dem Mittel Behandelten. Leute, die Botox spritzen, hätten in der Regel bis ins Alter hinein eine glatte Stirn, doch sie hätten auch größere Mühe als botoxfreie Zeitgenossen, gewisse Gehirnvorgänge, insbesondere die Sprachregeln und Gefühlsregungen wie Zorn, Ärger oder Trauer, zu verstehen und zu artikulieren. Auf jeden Fall dauere es bei ihnen länger, oft sogar viel länger. Sie seien buchstäblich schwerer von Begriff.

Die empirischen Befunde seien eindeutig, sagen die Forscher, einen echt kausalen Zusammenhang habe man allerdings (noch) nicht herstellen können. Zu vermuten stehe, daß es einen „Feedback“ gebe zwischen der Stirnmuskulatur und den dahinterliegenden Gehirnregionen, einen geheimnisvollen leibgeistigen Austausch. Was sich infolge Hautglättung, also Muskelversteifung, nicht mehr richtig körperlich abbilden könne, das werde vom Individuum offenbar auch begrifflich-gefühlsmäßig mehr oder weniger ignoriert. Man sei hier einem erstrangigen biologischem Phänomen auf der Spur.

Für Schönheitsbegierige, speziell für Damen in reiferen Alterslagen, ist das natürlich kein wirklicher Trost. Vielleicht sollten sie sich ein Vorbild nehmen an der famosen Komödiantin und einstigen Soubrette am Berliner Renaissance-Theater, Gisela Peltzer, die sich auch sehr über ihre Gesichtsfalten ärgerte. Einst – so wird erzählt – stand sie vor dem Garderobenspiegel, starrte hinein und wütete lautstark: „Das ganze Gesicht voller Falten! Und dabei wäre doch am Arsch so viel Platz!“ Das war ein berühmter Gefühlsausbruch. Aber mit Botox spritzen ließ sich die Peltzer nie.

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