© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

UMWELT
Politisches Eigentor
Volker König

Die Atomlobby macht wieder einmal mobil. Unter dem Eindruck des schwarz-gelben Mehrheitsverlusts im Bundesrat erklärte Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, die Bundesregierung wolle ein Gesetz zur Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke (bis 2050) allein vom Bundestag absegnen lassen. Die Zustimmung des Bundesrates sei nicht erforderlich. Damit stellte sich Pofalla in offenen Gegensatz zu Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), der mit seiner atomkritischen Haltung ohnehin im Kabinett isoliert ist. Der Stuttgarter Ministerpräsident Stefan Mappus empfahl gar den Rücktritt Röttgens, weil dieser erklärt hatte, die Atomaufsicht obliege den Ländern, also müßten sie auch ein Mitspracherecht haben. Über die Ignoranz in der CDU kann man nur staunen – nicht nur, weil Pofalla und Mappus dem Föderalismus schaden.

Ohne Not geben sie auch einen Kerngedanken wertkonservativer Politik auf, nämlich den Lebensschutz, der weder ungeborenes Leben tötet noch kommenden Generationen tickende atomare Zeitbomben hinterläßt. Und: Mit einer solchen Politik sägt die Union an den Pfeilern eines politischen Brückenschlags zu Wertkonservativen bei den Grünen, die nicht nur aus Claudia Roths bestehen. Aber scheinbar fühlen sich etliche Unionspolitiker pudelwohl in der babylonischen Gefangenschaft der FDP. Helmut Kohl bekannte zum Ende seiner Kanzlerschaft, daß es ein großer Fehler gewesen sei, den einstigen CDU-Umweltexperten Herbert Gruhl ausgegrenzt zu haben. Kohl hatte immerhin diese späte Einsicht. Seinen politischen Söhnen und Töchtern geht selbst diese Erkenntnis ab. Wenn sie jetzt Röttgen demontieren und in die umweltpolitische Steinzeit zurückfallen wollen, leisten sie sich selbst ein politisches Eigentor.

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