© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

Deutschland unter EU-Mandat
Wirtschaftspolitik: Die Euro-Krise wird zur Errichtung einer Brüsseler Oberherrschaft mißbraucht
Bernd-Thomas Ramb

Das vorige Woche im Bundestag durchgewinkte Euro-Rettungspaket in Höhe von vorläufig 750 Milliarden Euro bezeichnete Angela Merkel als „alternativlos“. Das stimmt natürlich nicht, denn es besteht immer die Wahl zwischen Tun und Lassen. Wenn die Bundeskanzlerin die Alternative des Unterlassens allerdings überhaupt nicht in Erwägung ziehen will, kann, darf oder soll, dann gesteht sie mit dem Wort „alternativlos“ nichts anderes ein, als daß sie eine Getriebene ist, bar jeglicher Freiheit einer eigener Entscheidung. Das Tun kann möglicherweise tatsächlich besser sein als das Lassen, das wäre aber vorher redlich abzuwägen. Ihre nichtssagende Floskel „Es geht um die Zukunft Europas“ fällt nicht in diese Kategorie.

Eher trifft ihre zweite Platitüde zu: „Europa steht am Scheideweg“. Aber auch hier drückt sich die CDU-Kanzlerin um eine klare Darstellung der Abzweigung. Vage mit dem Ende des Euro  und dem Auseinanderfallen der EU zu drohen, überzeugt die zu Recht verunsicherten Deutschen kaum noch – zumal ihnen die Sicherheit ihrer Ersparnisse mehr am Herzen liegt als die krampfhafte Glorifizierung der EU. Und stimmt die Prognose eines Schreckensszenarios überhaupt? Was könnte passieren, wenn die staatlichen Hilfsmaßnahmen zur Abwendung der griechischen Zahlungsunfähigkeit doch noch abgesagt würden?

Zunächst müßte Griechenland versuchen, die erforderlichen Kredite auf dem freien Kapitalmarkt zu erwerben. Das Gezeter über die Spekulanten (JF 21/10) war dabei allerdings wenig werbewirksam. Der Eindruck drängt sich auf, als hätten die Griechen bewußt die potentiellen Gläubiger vergrault, um allein auf die Kredithilfe der anderen Euro-Staaten angewiesen zu sein. Der Grund ist klar: Für die Staatskredite muß Athen weniger Zinsen zahlen. Hätten die Griechen dagegen die Gläubiger umworben, wären die Marktzinsen nicht so hoch. Das wäre ihnen am besten gelungen, wenn sie ihre künftigen wirtschaftlichen Anstrengungen glaubhaft versichert und damit die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung der Kredite vergrößert hätten.

Doch die Griechen und mit ihnen die EU wollten den andern Weg einschlagen – mit dem Ergebnis, daß nun noch weniger wirtschaftliche Anstrengungen erwartet und die Rückzahlungen der Kredite noch unwahrscheinlicher werden. Das Ende mit Schrecken wird hinausgeschoben. Diese erste falsche Wegauswahl führt die Wege zwar wieder zusammen – zur Zwischenstation griechischer Staatsbankrott, auf dem Umweg werden jedoch Hunderte Milliarden Euro erfolglos vergeudet.

Die Auswirkungen einer griechischen Insolvenz sind ebenfalls nicht eindeutig vorhersehbar. Der Euro kann daran zerbrechen – muß aber nicht. Klar ist nur, daß der jetzt gewählte Weg zum Bankrott Athens das Zusammenbrechen des Euro wahrscheinlicher macht. Weiterhin bedeutet selbst das Zusammenbrechen der Euro-Währung in seiner bestehenden Form nicht automatisch das Auseinanderfallen der EU. Schließlich sind nur 16 der 27 EU-Staaten im Währungsverbund vereint. Es besteht eine staatliche Existenzmöglichkeit außerhalb des Euro und dennoch innerhalb der EU. Und selbst wenn die Europäische Union daran zerbrechen würde – daraus auf ein „Ende Europas“ zu schließen, ist entweder maßlos fatalistisch oder erpresserisch. Danach wird keine Kriegserklärung erfolgen. Wer aber damit droht, beweist nur, daß die EU ihre Überzeugungskraft verloren hat und zu einem reinen Unterdrückungsapparat verkommen ist.

Was aber bringt der jetzt von Brüssel eingeschlagene Weg? Die bankrottnahen Euro-Länder können sich auf die Unterstützung durch die EU verlassen, koste es, was es wolle. Das ist die Kernbotschaft. Die Wirkung wird sein, daß Eigenanstrengungen weitgehend zurückgestellt werden und die Unterstützungszahlungen weiter ansteigen.

Gleichzeitig werden die Kreditmärkte so stark verunsichert, daß der Kreditbedarf nur noch durch die Notenpresse der Europäischen Zentralbank (EZB) gedeckt werden kann. Damit ist die EZB faktisch zum Hilfslanger der EU-Regierungen degradiert. Diese fordern konsequenterweise die Planungshoheit über den Kreditbedarf der Euro-Länder und damit eine Eingriffsmöglichkeit in die Gestaltung der Staatshaushalte.

Die Schönrederei, man wolle lediglich die Haushaltsplanungen vor Beschluß vorgelegt bekommen, ist lächerlich. „Gut zureden“ war bereits beim Stabilitätspakt vorgesehen. Immer weniger Staaten haben sich daran gehalten – auch Deutschland nicht. Wirksam kann daher nur ein direkter Eingriff in die staatliche Haushaltsplanung sein. Die EU erhebt sich damit endgültig zum Überstaat. Nun zu glauben, daß davon nur die Problemländer in der Südzone des Euro betroffen wären, ist mehr als naiv. Auch Deutschland ist Stabilitätssünder. Wird der EU-Kommission die Möglichkeit eröffnet, die Haushaltsplanungen der Mitgliedstaaten zu korrigieren, dann ist auch Berlin davon betroffen. Zumal im Bestrafungsfall die vorgesehene Kürzung der EU-Zahlungen an Deutschland zu einer lukrativen Erhöhung der Nettozahlung führen würde.

Die bedingungslose Stützungszusage an den Euro erinnert fatal an die Maxime der kommunistischen Staatsphilosophie, nach der das System nur funktionieren kann, wenn alle in das System gezwungen werden. Am Ende steht – wie die Geschichte mehrfach bewiesen hat – ein Trümmerhaufen von Armut und Unfreiheit. Das soll die alternativlose EU-Politik sein? Auf den Zusammenbruch dieses Irrtums zu warten, ist für die Bürger kaum zu ertragen. Den Weg in die Knechtschaft zu verlassen, ist das Gebot der Stunde – dem um so mehr zu folgen ist, als die wenigen Schutzgesetze der Europäischen Union mehr und mehr der EU-Willkür weichen müssen. Europa steht vor einem Freiheitskampf.

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