© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

Koch macht Wulff zum Monopolisten
CDU: Mit dem Rückzug des hessischen Ministerpräsidenten verliert die Union ein Aushängeschild und Parteichefi n Angela Merkel einen Konkurrenten
Christian Vollradt

Er sei immer der Ansicht gewesen, „Mensch und Amt“ dürften nicht miteinander verwachsen, sagte Roland Koch (CDU) am Dienstag, als er seinen Rücktritt vom Amt des hessischen Ministerpräsidenten bekanntgab. Am 31. August will der Christdemokrat nicht nur nach über zehn Amtsjahren aus der Staatskanzlei ausziehen, sondern auch sein Mandat als Abgeordneter des hessischen Landtags niederlegen, dessen Mitglied er seit 1987 ist. Als Nachfolger gilt Innenminister Volker Bouffier.

Unter „Beibehaltung des politischen Kurses“ werde „ein personeller Wechsel“ sowohl dem Land als auch der hessischen CDU guttun. Was seine berufliche Zukunft angeht, beließ es Koch bei Andeutungen, er möchte sich „wieder im Bereich von Wirtschaft und unternehmerischer Verantwortung betätigen“, nehme jedoch zunächst eine „Auszeit“. Parteichefin Angela Merkel, so versichert der Hesse, sei „seit einem Jahr“ über diesen Schritt unterrichtet. Er scheide schließlich nicht im Streit mit Berlin aus. Das mag vielleicht sogar stimmen, schließlich wurde aus dem einst gefürchteten Merkel-Feind längst ein handzahmer Bettvorleger, dem man gelegentliche Widerworte durchgehen ließ. So zuletzt im Februar, als er seinen allgemein gehaltenen Hinweis auf die „Perversion des Sozialstaatsgedankens“ anbrachte oder wenn er jüngst Einsparungen auch bei der Bildung forderte.

Mit seinem „geplanten Rückzug“ in Hessen wird Koch auch aus dem Präsidium der CDU ausscheiden. Damit hat er seinem innerparteilichen Rivalen Christian Wulff aus Niedersachsen einen weiteren Machtzuwachs beschert. Denn künftig wird außer ihm nur noch ein einziger Landesfürst in diesem Gremium sitzen, der zur Zeit sichtlich lädierte Nordrhein-Westfale Jürgen Rüttgers. Koch hat damit endgültig das nie eingestandene Rennen um eine mögliche Nachfolge auf Merkel aufgegeben; Wulff ist hierbei jetzt Monopolist, seine Strategie der „Soft Power“ (samt seiner neuesten Errungenschaft in Form der ersten türkischstämmigen Ministerin) hat sich langfristig gegen Kochs Nadelstich-Methode durchgesetzt.

Daß Koch zu Unrecht als Repräsentant eines konservativen Parteiflügels gilt, zeigt nicht nur der fast schon unverhohlene Haß, der ihm aus den alten Seilschaften der Ära Dregger/Kanther entgegenschlug, vor allem nachdem er 2003 den hessischen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann hatte fallenlassen. Schließlich pfiff Koch auch seinen Fraktionsvorsitzenden Christean Wagner öffentlich zurück, als dieser im Januar gemeinsam mit CDU-Politikern aus Sachsen, Thüringen und Brandenburg in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gefordert hatte, seine Partei müsse künftig nicht nur wirtschaftsliberale Wähler zurückgewinnen, sondern auch Konservative verstärkt ansprechen.

Die hessischen Wähler hatten Koch schon 2008 nicht mehr abgenommen, was ihn ein knappes Jahrzehnt zuvor noch programmatisch ins Amt befördert hatte: ein Hardliner zu sein, dem die Durchsetzung von Recht und Ordnung besonders am Herzen liegt. 1999 war Koch gegen die von der SPD geführte Landesregierung unter Ministerpräsident Hans Eichel erfolgreich, nachdem er seinen Wahlkampf mit einer Unterschriftenkampagne gegen die von der rot-grünen Bundesregierung eingeführte doppelte Staatsangehörigkeit zu einer De-facto-Volksabstimmung umgemünzt hatte. Fünf Jahre später baute der Ministerpräsident seine Mehrheit so aus, daß er auf den Koalitionspartner FDP verzichten konnte. 2008 versuchte er es erneut mit einem „Law and order“-Wahlkampf (unter Rekurs auf gewalttätige jugendliche Einwanderer) – und scheiterte. Erst nachdem seine sozialdemokratische Gegenspielerin Andrea Ypsilanti sich mit ihrem Experiment einer rot-grün-tiefroten Koalition am Widerstand in den eigenen Reihen blamiert hatte, schaffte Koch wieder, was ihn nun nach eigener Aussage zufrieden und versöhnlich das Feld räumen läßt: eine stabile „langfristige bürgerliche Mehrheit in Hessen“.    

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