© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/10 21. Mai 2010

Die Federn des Erzengels
Claudio Muttis Schriften über den rumänischen Religionsphilosophen Mircea Eliade, die Eiserne Garde und ihren intellektuellen Kreis
Wolfgang Saur

Als Julius Evola 1938 nach Bukarest kam, lernte er Corneliu Codreanu kennen. Der Gründer der Legion des Erzengels Michael (1927) und der Eisernen Garde (1930) schilderte ihm seine Bewegung angesichts der autoritären Regime der Zeit. Jeder Organismus verdanke sich drei Prinzipien: der Form, der Lebenskraft und dem Geist.

Diese erlangten im Wesen der politischen Mächte je besondere Priorität. So liege das zentrale Moment des italienischen Faschismus in der Form; der Nationalsozialismus mit seinem biologischen Weltbild habe sich der Lebenskraft verschrieben. Rumänien hingegen verlange nach spiritueller Erneuerung aus seinem Tiefengrund, privilegiere also den Geist. Man wolle nicht den „Übermenschen faschistischer Prägung“, nicht den „rassereinen Arier“, sondern den in Christus transformierten Rumänen.

Tatsächlich erschwert es diese eschatologische Wandlungsutopie, die Legionäre als „Mystiker der Endzeit“ den faschistischen Bewegungen umstandslos zuzuschlagen. Eher erinnert die Idee einer existentiellen Kehre an die geistlichen und künstlerischen Visionen der Jahre 1910 bis 1925: bei den russischen Symbolisten, den deutschen Expressionisten und den Propheten des renouveau catholique. Im Vergleich mit den säkularen Parteien verlangten ihre „messianischen Formeln“ sowohl weniger als auch mehr.

Diesen unbedingten, metaphysischen Anspruch hat einer der später promi-nentesten Parteigänger Codreanus vehement betont: „Heute befindet sich die ganze Welt im Zeichen der Revolution. Aber während andere (…) im Namen des Klassenkampfs oder des Vorrangs der Wirtschaft (Kommunismus) oder des Staates (Faschismus) oder der Rasse (Nationalsozialismus) leben, entstand die Legionärsbewegung unter dem Zeichen des Erzengels Michael und wird durch die göttliche Gnade siegen. Während alle zeitgenössischen Revolutionen politisch sind, ist die Legionärsbewegung geistig und christlich.“ Während andere nach Macht gierten, strebe Codreanu die „Erlösung der Nation, die Versöhnung des Volkes mit Gott“ an. Der neue Mensch entstehe „immer aus (…) einer gewaltigen inneren Veränderung“.

So die Worte Mircea Eliades (1907 bis 1986), des nachmals weltberühmten Religionskundigen, den man als „rumänischen Faust“ rühmte. Ihm, seinen Freuden, ihrem Verhältnis zur Garde ist ein ebenso diffiziler wie erlesener Band gewidmet, den der Regin-Verlag mit großer philologischer Anstrengung (übersetzt aus mehreren Sprachen) herausgebracht hat – unter maßgeblicher Beteiligung von Martin Schwarz.

Seine Nähe zur integralen Tradition verbindet ihn auch mit Claudio Mutti, einem exzellenten Kenner der rumänischen Geschichte, speziell der Eisernen Garde. Die vorliegende Monographie fast nun drei Schriften Muttis zusammen: Sie bietet eine genaue Klärung von Eliades gardistischem Hintergrund; eine subtile Auslegung seiner Tragödie „Iphigenia“ (1941) folgt; dann die Porträts von vier Autoren aus dem Umkreis: Nae Ionescu (1890–1940), der philosophischen Leitfigur, Emile Cioran (1911–1995), dem Nihilisten und skeptischen Moralisten, Constantin Noicas (1909–1987), dem „rumänischen Heidegger“, und Vasile Lovinescus (1905–1984), dem „Hyperboräer“.

Muttis umsichtige Studien bieten keine essayistischen Porträts, sondern verstehen sich stringent argumentativ als Sachbeiträge zu einer Reihe neuerer Forschungsfelder: zur Zeitgeschichte Rumäniens und der Garde, der Eliade-Forschung und zum erwachten Interesse an Nae Ionescu, dem führenden Kopf der „jungen Generation“. Von den mit der Materie Vertrauten jetzt begierig auf-gesogen, lesen sich die Texte spannend auch für Erstinteressierte.

Geistesgeschichtlich reflektieren die philosophischen und symbolischen Motive des Bands wichtige Facetten europäischer Ideengeschichte und erwägen deren Bezug zur hermetischen Tradition. In politischer Hinsicht klären die Argumente auf im besten Sinn, bewegt man sich doch in heiklem Terrain. Codreanu ist umstritten – eine nicht bloß historische Frage, tauchte doch Horia Simas Garde zur Wendezeit wieder auf, um eine Rolle im nachkommunistischen Rumänien zu spielen. Heikel auch die Frage nach dem antisemitischen Akzent des gardistischen Programms. Diesbezügliche Spekulationen haben Eliades Wirkung seinerzeit behindert. Neuere Forschung vermag nun die strategische Desinformation zu entkräften; hier komplettiert Mutti erfreulich die Darstellungen von Hannelore Müller und Florin Turcanu.

Besonderes Interesse erregt das Kapitel über Eliades „Iphigenia“ und deren Opfermysterium: brisant, weil die nationale Wendung des Opfergedankens, der im theatralischen Raum eine „magisch-spirituelle Verwandlung“ der Zuhörer bewirken soll – was gardistischer Ideologie ganz entsprach – in der postheroischen Industriegesellschaft provoziert. Weit entfernt davon, diesen Aspekt auszublenden, spitzt Martin Schwarz das Thema kulturkritisch zu in der These: Der Opfergeist sei heute aus Europa in den Orient gewechselt, „der noch vor kurzem als unabänderlich weich und fatalistisch galt, heute aber 1.000 Märtyrer auf den Marsch schickt“. Im Sinn Benjamin Barbers warnt er uns vor dem „globalen Endsieg des Nihilismus“ durch Nietzsches „letzten Menschen“ und setzt zeichenhaft Muttis Schrift dagegen. Die verdeutlicht am Schluß Lovinescus hermetische Orientierung: Ihm verbanden sich mythischer Traditionalismus mit dem Geist der rumänischen Garde. Über sie schrieb er: „Es gibt keinen tieferen Ausdruck der rumänischen Seele.“

Claudio Mutti: Mircea Eliade und die Eiserne Garde. Rumänische Intellektuelle im Umfeld der Legion Erzengel Michael. Regin-Verlag, Preetz 2009, broschiert, 144 Seiten, Abbildungen, 14,95 Euro

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