© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/10 21. Mai 2010

„Wohlstand muß man sich erarbeiten“
Interview: Carl Friedrich Fürst von Wrede über die Zukunft seiner Brauerei und seiner Burgen in den Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise
Wolfhard H. A. Schmid

Durchlaucht, 1814 wurde Ihrem Vorfahren Feldmarschall Carl Philipp von Wrede für seine militärischen Verdienste der Fürstentitel verliehen. Ein Jahr darauf kam das Ellinger Thronlehen in den Besitz Ihrer Familie. Ihr heutiger Wohnsitz, Burg Sandsee, kam 1818 dazu. Wie schaffen Sie es, all dies langfristig zu erhalten?

Wrede: Ich habe das Glück, daß diese Burg sehr stabil gebaut wurde, ganz im Gegensatz zum Ellinger Barockschloß, der einstigen Residenz unserer Familie, dem ehemaligen Deutschordensschloß, wo man mehr auf das Äußere geachtet hat und eine schlechte Bausubstanz einen immer wieder vor große Herausforderungen stellt.

Als Inhaber des fürstlichen Brauhauses in Ellingen sind Sie ein typischer Mittelständler. Sind Sie angesichts der Übernahme von Brauereien durch Großkonzerne nicht um die Zukunft Ihrer Brauerei besorgt?

Wrede: Sehr! Mein Sohn und ich fragen uns des öfteren, sollen wir unsere Brauerei noch weiterführen? Der Bierverbrauch geht zurück. Mit einer Jahresleistung von 12.000 Hektolitern ist das heute nicht einfach. Der Verbraucher geht in den Supermarkt und schaut in erster Linie auf den Preis und erst dann auf die Qualität. Auch größere Brauereien haben Probleme. Etwa das Herzogliche Brauhaus Tegernsee, wo man bereits an der Kapazitätsgrenze angelangt ist und trotz glänzender Geschäfte mit dem beliebten Bräustüberl vor der Frage steht, soll für eine Zukunftssicherung investiert werden oder nicht? Letztes Jahr haben wir eine neue Biersorte, den „Fürst Carl Edelsud“, eingeführt. Wir hoffen, daß dieses hochwertige Bier längerfristig beim Verbraucher ankommen wird. Sollte dies der Fall sein, wird dieses Bier unsere neue Leitmarke werden.

Haben Sie ein weiteres Standbein?

Wrede: Ja, es ist unser Wald mit 90 Prozent Nadelholz, je zur Hälfte Fichte und Kiefer. Der Rest besteht aus Laubholz. Nachdem neben Bau- inzwischen auch Brennholz sehr gefragt ist, ziehen wir zum Häckseln die Spitzen der gefällten Nadelbäume zusammen, auch eine gute Maßnahme zur Bekämpfung des Borkenkäfers. Zur Zeit halten sich die Holzpreise auf einem zufriedenstellenden Niveau. Allerdings weiß niemand, wie lange dies andauern wird. Ein starker Sturm, und schon kann sich der gesamte Holzmarkt ändern.

Lohnen sich solche in die Zukunft gerichteten Anstrengungen überhaupt noch in einer Welt, in der traditionelle Werte immer mehr an Bedeutung verlieren?

Wrede: Auf jeden Fall! Tradition und in die Zukunft gerichtetes Handeln ist immer lohnend. Durch eine Freizeitanlage, bestehend aus Wildpark, Sommerrodelbahn, Minigolfanlage und einem Spielplatz, habe ich uns ein weiteres Standbein geschaffen. Zur natürlichen Pflege und Erhaltung unserer Streuobstwiesen züchtet meine Frau Galloway-Rinder.

Wie sehen Ihre Kinder den Besitz?

Wrede: Traditionspflege in unseren Familien ist seit Jahrhunderten üblich und wird nicht als lästige Verpflichtung empfunden. Mein Sohn, dem ich inzwischen den Betrieb übergeben habe, arbeitet in München in leitender Position bei einer Investmentbank. Von dort aus kann er in Zusammenarbeit mit mir den Betrieb gut führen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ebenso wie meine Tochter, die als Ärztin arbeitet und mit ihrer Familie in Luxemburg lebt. Meine Stieftochter lebt mit ihrem Mann und den drei Kindern in der Nähe des Stammschlosses ihres Mannes, und mein Stiefsohn ist in London tätig.

Wie sehen Sie die Lage in Deutschland?

Wrede: Wir leiden unter dem Schönreden, dem Euphemismus der wirtschaftlichen Lage! Insgesamt sehe ich unsere wirtschaftliche Zukunft eher skeptisch. Wohlstand ist nicht selbstverständlich, man muß ihn sich erarbeiten.

Die durch riskante Geschäfte in die Pleite gerutschten Banken hatten in der Regel eine Gemeinsamkeit: Sie waren von Managern geführt, die nicht persönlich haften. Ist es daher nicht notwendig, daß das Prinzip „persönliche Haftung“ ins Wirtschaftsleben zurückkehrt?

Wrede: Das sollte unbedingt auch für Aktiengesellschaften gelten. Es kann doch nicht angehen, daß man Unternehmen ohne jegliche Haftung führen kann. Verantwortung für die einem anvertrauten Menschen sollte selbstverständlich sein.

Wie sehen Sie Ihre eigene und die Zukunft des deutschen Adels insgesamt? Welche Chancen und Herausforderungen bringt das 21. Jahrhundert mit sich?

Wrede: Der deutsche Adel spielt keine wesentliche Rolle mehr. Wenn möglich sollten wir aber versuchen, durch unser Verhalten Vorbild zu sein. Natürlich gibt es schwarze Schafe –  wie überall.

Das hohe Bildungsniveau hat den Aufstieg Deutschlands zur Industriemacht ermöglicht. Durch die EU wurde im Bologna-Prozeß das US-Bildungssystem mit Bachelor und Master auch auf Deutschland übertragen. Viele Studenten und Professoren sind damit unzufrieden. Wie sehen Sie die Bildungssituation heute?

Wrede: Für mich ist das eine sehr komplexe Frage. Das Problem beginnt schon in den Grundschulen, setzt sich fort in den weiterbildenden Schulen bis hin zu den Hochschulen und Universitäten. Das Bildungssystem ist offensichtlich zu fachorientiert und führt zu einem ausgesprochen schlechten Allgemeinwissen auch bei Akademikern. Der immense Einfluß des Internet schon auf die Jüngsten bringt eine schleichende Vereinsamung mit sich. Ein gesellschaftliches und familiäres Voneinander- und Miteinander-Lernen ist vom Aussterben bedroht. Dem muß man entgegenwirken.

 

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