© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/10 14. Mai 2010

Tito ahmte Katyn auf dem Balkan nach
Jugoslawische Partisanen mordeten unter den Donauschwaben nach ähnlichem Schema, wie es die Sowjets gegenüber der polnischen Elite vormachten
Richard Hausner

Als der 43jährige Jovica Stevic aus Syrmien (der Landschaft zwischen den Flüssen Donau und Save) für seinen unermüdlichen Einsatz um die geschichtliche Aufarbeitung der Verbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung in der Vojvodina zu Beginn des Jahres mit dem Silbernen Verdienstzeichen der Republik Österreich ausgezeichnet wurde, sagte er: „Dieser ‘Kampf’ um die Wahrheit und um die Wiedergutmachung der Ungerechtigkeiten, die an den Deutschen der Vojvodina begangen wurden, dieser Kampf dauert noch an.“ Auch über sechzig Jahre nach dem Völkermord an den Deutschen in Jugoslawien lebten in vielen Orten „Verbrecher und Mörder, Wächter und Kommandanten (...), die in Lagern töteten und unschuldige deutsche Kinder, Frauen und Männer folterten“, hatte Stevic bereits 2007 erklärt. „Man kennt sie und ihre Verbrechen“, so Stevic weiter. Dennoch könnten die Täter unbehelligt ihren Lebensabend genießen.

Zwischen Oktober 1944 und März 1948 kamen über 60.000 der etwa 200.000 in Jugoslawien verbliebenen deutschen Zivilisten ums Leben. Neben 51.000 Lagertoten waren zwischen Oktober 1944 und Juni 1945 etwa 9.500 Frauen und Männer zu beklagen, die durch Erschießungen und andere Mordpraktiken sowie durch die „Aktion Intelligenzija“ ermordet wurden. Bei der „Aktion Intelligenzija“ handelte es sich um ein einheitliches Vorgehen der Tito-Partisanen in der Vojvodina, also im Banat, der Batschka und in Syrmien. Offenkundig ließen sich die jugoslawischen Kommunisten dabei von ihren sowjetischen Idolen leiten. Nach leninistisch-stalinistischem Muster sollte das Volk durch Terror eingeschüchtert und gleichzeitig führungslos und somit gefügig gemacht werden. Deshalb befanden sich unter den Opfern fast ausnahmslos Personen, die als „Kapitalisten“ und „bürgerliche Klassenfeinde“ zu den potentiellen „Konterrevolutionären“ gerechnet wurden. Mobile Erschießungskommandos kamen in die Ortschaften und verhafteten zum Teil gegen den Widerstand ortsansässiger slawischer Mitbürger führende, angesehene und wohlhabende Deutsche sowie antikommunistische slawische Führungspersönlichkeiten, um sie meist nach grausamen Folterungen zu töten – darunter auch 29 katholische Geistliche.

Dabei kam es gelegentlich auch zu Widerstand unter den Angehörigen der Exekutionskommandos. Für Filipowa (Batschka) berichtet Georg Wildmann in „Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944–1948“: „Ein Bunjewatze [eine südslawisch-katholische Volksgruppe, R. Hausner] erkannte den Filipowaer Apotheker Ludwig Vogl. Er wandte sich an die Kommandeure mit der Bitte, dieser Mann müsse freigelassen werden, er wisse, daß er unschuldig sei. Es kam zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf sich ein Großteil der Wojwodiner dem Bunjewatzen anschloß und sich weigerte, bei der Folterung und Exekution der Filipowaer Männer mitzumachen.“ Die Dienstverweigerer wurden jedoch abgezogen und Vogl wurde schließlich als erster erschlagen. Nach ihm auf besonders brutale Weise der Gemeindearzt Franz Dickmann, und zwar von einem Partisan aus dem Nachbarort, der während des Krieges von ihm verlangt hatte – obwohl gesund –, krankgeschrieben zu werden, um nicht zum ungarischen Militär einrücken zu müssen. Am 25. November 1944 wurden insgesamt 212 Deutsche aus Filipowa – vereinzelt auch Personen, die nicht zur „Intelligenzija“ zählten – ermordet, darunter der damals 16jährige Bruder von Robert Zollitsch, dem heutigen Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz und gebürtigen Filipowaer.

Auch an seinen älteren Bruder dürfte der Erzbischof von Freiburg deshalb gedacht haben, als er am Tag der Heimat im September 2008 mahnte: „Wer all die menschlichen Schicksale, das vielfältige Leid, die unfaßlichen Geschehnisse um unsere Landsleute verdrängt, der macht sie ein weiteres Mal zu Opfern, zu Opfern des Vergessens.“

Georg Wildmann: Die Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944–1948. München 1998, 4. Auflage 2006, 374 Seiten ist für 9 Euro zu beziehen über die Donauschwäbische Kulturstiftung, Postfach 83 02 06, 81702 München, E-Post: kulturstiftung@donauschwaben.net

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