© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/10 14. Mai 2010

Einwurf: Notizen zur Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika, Folge eins
Veteranen und Hoffnungsträger
Arthur Hiller

Von den 27 Akteuren, die Joachim Löw in das vorläufige Aufgebot für die Weltmeisterschaft in Südafrika berufen hat, zählen lediglich acht zum Kader des „Sommermärchens“ von 2006. Auch die Kontinuität zu jener Auswahl, die sich bei der Europameisterschaft vor zwei Jahren erst im Endspiel der spanischen Übermannschaft geschlagen geben mußte, ist nicht wesentlich größer. Ganze elf Spieler von 2008 werden vom Bundestrainer für das anstehende Turnier noch in Betracht gezogen.

Wenn Joachim Löw nach den nun anstehenden Trainingslagern auf Sizilien und in Südtirol den endgültigen, 23 Mann zählenden Kader für Südafrika bekanntgeben wird, könnten noch weitere Veteranen durchs Sieb gefallen sein. Zu den Wackelkandidaten, die davon bedroht sind, sich die WM daheim am Bildschirm ansehen zu müssen, kann insbesondere Mario Gomez gerechnet werden, der im DFB-Trikot schon lange nicht mehr zu überzeugen wußte. Da er sich auch beim neuen deutschen Meister Bayern München, für den er seit einem Jahr aufläuft, nicht durchzusetzen wußte, wäre seine Berufung ein kaum zu begründender Vertrauensvorschuß. Einen solchen könnte zwar Marcell Jansen beanspruchen, der nach seinem glücklosen Gastspiel an der Isar beim Hamburger SV wieder aufgeblüht ist und auch in der Nationalmannschaft, insbesondere bei den Turnieren der Jahre 2006 und 2008, immer wieder brillierte. Allerdings steht hinter seiner Fitneß nach einem gerade erst ausgestandenen Kreuzbandriß ein großes Fragezeichen.

Auch wenn Joachim Löw nicht in die radikale Manier seines argentinischen Kollegen Diego Maradona verfallen ist, der jeden, der irgendwann einmal ein überzeugendes Spiel abliefert, testweise in die Nationalmannschaft beruft: Seine Innovationsfreude scheint deutlich größer als die seines Vorgängers Jürgen Klinsmann zu sein. Dies überrascht insofern, als dieser nach der desaströsen EM 2004 und dem ruhmlosen Abtritt Rudi Völlers dem Druck ausgesetzt war, einen überfälligen Neuaufbau des DFB-Teams zu wagen. 2006 hingegen, als Klinsmann ging und sein Adlatus Löw an die erste Stelle rückte, war eher behutsame Fortentwicklung die Devise.

Allerdings stellen jene sieben Spieler aus dem 2006er Kader, die auch für Südafrika gesetzt sein dürften, unverändert das Rückgrat im Team: Per Mertesacker, Philipp Lahm und mit Abstrichen Arne Friedrich in der Abwehr, Michael Ballack und Sebastian Schweinsteiger im Mittelfeld sowie Miroslav Klose und Lukas Podolski im Sturm.

Neue dauerhafte Leistungsträger hat Joachim Löw bislang nicht aufzubauen vermocht, Simon Rolfes, den er als einzigen für einen solchen hielt, ist verletzt. Ihm stehen jedoch Talente wie Thomas Müller, Toni Kroos, Holger Badstuber und Mesut Özil zur Verfügung, die über ein größeres Format verfügen und daher zu mehr Hoffnungen berechtigen als jene Ergänzungs- und Perspektivspieler, die Klinsmann vor vier Jahren aus dem Hut zauberte.

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