© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/10 14. Mai 2010

Heimat als Nische
Lüneburger Heide: Das Pastor-Bode-Jahr in Egestorf erinnert an einen konservativen Pragmatiker
Bernhard Knapstein

Dem aus Westpreußen stammenden Heimatschriftsteller Hermann Löns (1866–1914) ist es zu verdanken, daß die Lüneburger Heide als einzigartiger Landstrich zu einem Identifikationsmerkmal vieler Deutscher geworden ist. Hier, in den Dörfern zwischen Hamburg, Hannover, Lüneburg und Verden, steht nicht an jeder Ecke eine Dönerbude. Die Heide als eine der letzten Heimatnischen hat noch immer, selbst jenseits der Heideblütenzeit im August und September, weitgehend ihr romantisches Antlitz: Heidekraut, Wacholder, Heidschnucken, ausgedehnte Wanderwege, Gedenksteine für Löns mit Wolfsangelsymbol.

Daß diese historische Kulturlandschaft heute noch so aussieht, verdankt sich neben Löns vor allem auch dem Wirken eines Pastors aus Egestorf: Wilhelm Bode. Der in Lüneburg geborene Bode wäre in diesem Jahr 150 Jahre alt geworden. Grund genug für das beschauliche Heidedorf Egestorf, beginnend mit einem Auftaktgottesdienst am 13. Mai, das Pastor-Bode-Jubiläumsjahr zu begehen.

Der Sohn eines Seminaroberlehrers kam am 20. Oktober 1860 zur Welt. Von 1880 bis 1883 studierte er in Göttingen und Straßburg evangelische Theologie. Nach dem Studium zog es ihn zunächst als Hauslehrer der Familie von Manteuffel nach Kurland, wo er seine spätere Ehefrau Iraida Fadejew kennenlernte. Nach dem zweiten Staatsexamen nahm Bode 1886 die Stelle als Pastor in Egestorf an.

Hier entfaltet sich Wilhelm Bodes ganze Leidenschaft und Schaffenskraft. Er bleibt längst nicht nur Geistlicher. Er wirkt als konservativer Revolutionär, indem er seinen Pfarrbezirk entwickelt und nach heutigem Verständnis zukunftsfähig macht. In seinem Amtszimmer ist der Vers zu lesen: „Ein gut Gewissen und bar Geld, das ist das Beste in der Welt“.

Die kargen Heideböden verschafften den Bauern der Region keine Reichtümer. Zumindest eine solide Grundlage sollte nach Ansicht Bodes jedermann haben. Kaum 18 Monate im Amt, wird er Mitbegründer der Spar- und Darlehnskasse Egestorf, der späteren Volksbank Nordheide. Er ist über 21 Jahre ihr erster – damals noch ehrenamtlicher – Geschäftsführer und Rendant.

Bode scheint prädestiniert für das Bankgeschäft. Sein Kantor Heinrich Schulz erinnert sich später: „In seiner Gemeinde sollte es, wie er sagte, keine Magd geben, die nicht neben dem Neuen Testament ein Sparbuch in der Truhe hätte.“ Das Geschäft der ersten Genossenschaftsbank in der Lüneburger Heide floriert. Bode nutzt die Überschüsse für den gemeinnützigen infrastrukturellen Ausbau, etwa für den Bau eines Doktorhauses für die medizinische Grundversorgung.

Auf Bode geht auch die vollständige zentrale Wasserversorgung in Egestorf zurück. Das Dorf ist damit eines ersten in der ganzen Provinz Hannover überhaupt. Er fördert die Bildung und wird Kreisschulinspektor, wird Mitinitiator des genossenschaftlichen Krankenhauses Salzhausen, setzt sich schon vor der Jahrhundertwende für die Elektrifizierung durch Wasserkraft ein, errichtet ein „Volksbad“ (Badestube), fördert den Bau der Kleinbahn Winsen-Egestorf und gründet zur Erhaltung von Volksgesundheit und geistiger Frische den örtlichen Männerturnverein. Bei all diesen Tätigkeiten vernachlässigt Wilhelm Bode seine geistlichen Pflichten nicht.

Bodes Hauptwerk ist aber unbestritten die langfristige Erhaltung der typischen Heidelandschaft. Während der schon zu Lebzeiten legendäre Hermann Löns sich vor allem journalistisch und literarisch für den Erhalt der Natur einsetzt, wirkt Bode ganz praktisch.

Der leidenschaftliche Wanderer und von seiner Heimatliebe geprägte Heidepastor ist viel zwischen Egestorf und Wilsede unterwegs und genießt die einzigartige Naturlandschaft ausgiebig. Angesichts der zunehmenden Rodung von Heideflächen sieht Bode sich zum Schutz dieser einzigartigen Landschaft genötigt. Mit Hilfe von Finanziers erwirbt er 1906 zunächst den Totengrund bei Wilsede und legt damit die Keimzelle des heutigen Naturschutzparks Lüneburger Heide.

Das Bedürfnis zum Schutz der Natur eint Löns und Bode. Erst jetzt wurde im Celler Stadtarchiv eine von Löns an Bode gerichtete Postkarte entdeckt, die vom 30. März 1911 datiert und belegt: Hermann Löns kannte den Heidepastor Wilhelm Bode. Die Gemeinde-Archivarin und Vorsitzende des Heimatvereins Egestorf Marlies Schwanitz bekräftigt: „Beide trafen sich mehrfach im Buhrs Hotel zu Wintermoor.“ Das sei bisher selbst in Fachkreisen bezweifelt worden, so Schwanitz.

Bode gehört zu den Mitbegründern des Vereins Naturschutzpark Lüneburger Heide im Jahr 1909, für dessen Gründung sich auch Löns eingesetzt hatte. Nur ein Jahr später erwirbt Bode mit Hilfe großzügiger Spender, darunter auch Kaiser Wilhelm II., den Wilseder Berg sowie weitere Heideflächen für 100.000 Goldmark.

Bodes Wirken erreicht seinen Höhepunkt, als die Preußische Regierung am 29. Dezember 1921 das Gebiet rund um den Wilseder Berg in einem Umfang von vier Quadratmeilen zum Naturschutzpark erklärt. Wilhelm Bode stirbt am 10. Juni 1927 in Wilsede im Alter von 67 Jahren. Nicht nur der viel bewanderte Pastor-Bode-Weg durch die Heidelandschaft erinnert an ihn.

Termine zum Pastor Bode Jubiläumsjahr 2010: www.pastor-bode.de

Foto: Heidschnucken im Steingrund, Lüneburger Heide: Weit und breit keine Dönerbude

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