© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/10 14. Mai 2010

Zerstörter Euro
Klage gegen das Gesetz zur Griechenland-Hilfe: Sprengsatz für Europa
Wilhelm Hankel

Eigentlich hätte die Hand des Bundespräsidenten, eines ausgewiesenen Finanzfachmannes, verdorren müssen, als er das Währungsunion-Finanzstabilitäts-Gesetz (WFStG) unterschrieb. Denn anders als ein fachlich überforderter Bundesfinanzminister kann er Deutschlands finanzielle Belastbarkeit wie auch die für den Euro unerläßlichen Stabilitätserfordernisse realistisch einschätzen. Horst Köhler war einer der Architekten der Europäischen Währungsunion (EWU); er weiß am besten, warum diese weder ohne eine Obergrenze für die Staatsverschuldung (den Stabilitätspakt) noch ohne ein Verbot der Staatshaftung für die Haushaltsdefizite und den Schuldendienst anderer Währungspartner auskommt: die vielzitierte No-Bailout-Klausel der EU-Verträge.

Im Zuge der Bankenkrise brach als erster Stabilitätsdamm der Stabilitätspakt. Die EU-Kommission ließ seinen Bruch durch alle EWU-Staaten zu, obwohl sich in einer Krise der Banken – nicht der Staaten – auch andere Lösungen hätten finden lassen. Jetzt bricht der zweite Stabilitätsdamm: Die Währungsunion wird zur Haftungsgenossenschaft erklärt, der damit verbundene Rechtsbruch durch ein deutsches Kredit-Ermächtigungsgesetz „geheilt“, das ebenfalls im Kern ein Bankensanierungsgesetz ist, denn unter dem Etikett Griechenland-Hilfe werden die in das Geschäft verwickelten Finanzinstitute vor Verlust und Konkurs bewahrt, die dahinterstehenden Staaten nur mittelbar.

Wer kann das besser beurteilen als der Bundespräsident als Experte in eigener Sache? Horst Köhler war Abteilungsleiter und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Sparkassen-Präsident, Bankmanager und Vorvorgänger des heutigen IWF-Chefs. Deswegen hätte er niemals das WFStG unterschreiben dürfen, zumal die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht von einem der führenden deutschen Verfassungsrechtler und vier Ökonomen zeitgleich vorlag.

Daß die obersten Verfassungsrichter den Eilantrag auf Stopp des Gesetzgebungsverfahrens innerhalb von wenigen Stunden ablehnten, wird nicht ihr letztes Urteil in der Sache sein.

Auch wenn sie Deutschlands Bürgern vor zwölf Jahren den mit der Aufgabe der D-Mark verlorenen Schutz elementarer Grundrechte verweigerten: die Garantie des Eigentums, die Sicherheit der Arbeitsplätze, die Finanzierbarkeit des Sozialstaates, mit einem Wort die Sicherung ihrer Lebensgrundlagen und wirtschaftlichen Zukunft im eigenen Lande –  die damalige Verletzung ihrer Amtspflicht müssen sie nicht wiederholen.

In der jetzigen Krise wird offenbar, wie miserabel und inkompetent Europas Zentralorgane, Brüsseler Kommission und Europäische  Zentralbank (EZB), mit der ihnen zugewachsenen Verantwortung umgehen. Die EU-Kommission gibt der Bankenhilfe Vorrang vor der Vermeidung staatlicher Überschuldung.

Die EZB, seit elf Jahren im Geschäft, finanziert die ihr aus  hausinternen Statistiken bekannten  Regelverstöße monetärer Euro-Trittbrettfahrer heimlich mit: durch  billiges Geld für die ertappten Währungssünder. Nicht nur Griechenland hat im Euro einen Blankoscheck für kräftiges Schuldenmachen und Über-die-Verhältnisse-Leben gesehen, andere Euro-Länder auch. Doch seit diesen Ländern die Strafe durch die Finanzmärkte droht: ihre Pleite, verletzt die EZB offen und ungeniert ihren Stabilitätsauftrag. Statt den Rechtsbruch zu ahnden, macht sie ihn zu dem ihrigen und druckt frisches Geld, damit es den Bankrotteuren nicht ausgeht. Der Erhalt der EWU (unter Einschluß der Bankrotteure) ist ihr wichtiger als die Stabilität der ihr anvertrauten Währung. 

Weder die EU-Kommission noch die für die EZB zuständige Euro-Gruppe geben zu, daß EU und EWU unregierbar geworden sind. Die Mitgliedstaaten machen ihre eigene Politik, eine gemeinsame ist nicht in Sicht. Also dreht man den Spieß um und betreibt – unter offenem Bruch der Verträge – die Umwandlung der EU-Staaten-Union mit begrenzter Haftung in einen zentralen Bundesstaat mit fast unbegrenzter Gewalt und Zuständigkeit. Denn darauf laufen die Forderungen nach Finanzausgleich und Etablierung einer Wirtschaftsregierung hinaus.

Doch diesen kalten Staatsstreich will keine europäische Regierung. Nur in Deutschland wird (so unbelehrbar wie undemokratisch) darauf hingearbeitet. Seit Helmut Schmidt erklären alle deutschen Bundeskanzler und Außenminister Europa unentwegt zur deutschen Staatsräson, Finanzminister, Medien und Wirtschaftsweise gaukeln der Öffentlichkeit vor, Zahlungen für Europa seien Beiträge zum Gemeinwohl.

Mit der Zerrüttung von Währung und Staatskredit läßt sich keines der Ziele europäischer Integration erreichen. Deswegen hätte Horst Köhler das WFStG  nicht unterschreiben dürfen. Aber auch die Verfassungsrichter sollten bei ihrer verfassungsrechtlichen Überprüfung der Gesetzesfolgen seine Sprengkraft für Europa mitbedenken.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel hat zusammen mit dem Verfassungsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, dem Wirtschaftswissenschaftler Joachim Starbatty, dem Ex-Präsidenten der Hamburger Landeszentralbank, Wilhelm Nölling, und dem ehemaligen Thyssen-Manager Dieter Spethmann am 7. Mai beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Griechenland-Hilfe eingelegt (siehe hierzu auch Seite 4).

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