© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

ZDF-Doku „Anonyma – Die Frauen von Berlin“: Opfer von Vergewaltigungen durch Soldaten der Sowjetarmee berichten
Verdrängte Schicksale von rund zwei Millionen Frauen
Baal Müller

Die Vergewaltigung deutscher Frauen durch Soldaten der Roten Armee ist seit einigen Jahren kein Tabuthema mehr, wozu das Tagebuch der „Anonyma“ und dessen Verfilmung durch Max Färberböck beigetragen haben. Von diesem Film ausgehend, hat sich das ZDF noch einmal des lange Zeit verdrängten Schicksals von rund zwei Millionen Frauen angenommen: „Anonyma – Die Frauen von Berlin“ läßt Zeitzeugen – betroffene Frauen, deren Kinder, auch einen ehemaligen sowjetischen Soldaten und ein „Vergewaltigungskind“ – zu Wort kommen, von denen viele jahrzehntelang geschwiegen haben. Dazu werden immer wieder Sequenzen aus dem Kinofilm mit Nina Hoss in der Hauptrolle eingeblendet.

Auch ohne diesen Kunstgriff ist das Mitgeteilte erschütternd genug. Selbst die – zu erwartenden – wiederholten Hinweise darauf, daß die Deutschen durch ihren Überfall auf die Sowjetunion und ihr eigenes Verhalten als Besatzer diese Rache heraufbeschworen hätten und die Vergewaltiger nur eine Minderheit unter den Rotarmisten gewesen seien, ändern wenig am unmittelbaren Eindruck.

Die Dokumentation hat somit zwei Ebenen: die historische Erklärungs- und Plausibilisierungsebene sowie die Erlebnisebene der Zeitzeugenberichte, die durch ihre Vielseitigkeit faszinieren: Die Verzweiflung wurde meist doch vom Überlebenswillen besiegt oder von der Fähigkeit vieler Frauen, sich mit den Umständen zu arrangieren, indem sie sich etwa einen Offizier als Liebhaber (und Beschützer) suchten.

Interessant ist auch das Fortwirken der Traumatisierung auf die nächste Generation: auf die Kinder, die die Vergewaltigung ihrer Mütter mitansehen mußten, oder auf diejenigen, die infolgedessen erst zur Welt kamen (sofern sie nicht abgetrieben wurden). Man mag darüber spekulieren, wieviel von diesem Trauma noch den Enkeln in den Knochen steckt.

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