© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

Abschied vom amerikanischen Traum
Der US-Politologe Andrew Bacevich mahnt zur Abkehr von Imperialismus und der verbreiteten Ideologie des bloßen Konsumierens
Fabian Schmidt-Ahmad

Andrew Bacevich gehört im heutigen Amerika mit zu den wichtigsten Stimmen, welche aus einer konservativen Position heraus die interventionistische Außenpolitik des Landes kritisieren. Schon früh äußerte sich der Professor und ehemalige Leiter des Instituts für Internationale Beziehungen der Universität Boston polemisch zur expansiven Militärpolitik der Regierung Bush, deren „Präventionskriege“ er „unmoralisch, ungesetzlich und unüberlegt“ nannte; vor allem aber eine unnütze Vergeudung von Menschenleben. Auf tragische Weise sollte Bacevich in seiner Einschätzung bestätigt werden, als sein einziger Sohn, der als Oberstleutnant im Irak stationiert war, am 13. Mai 2007 einer Sprengfalle zum Opfer fiel.

Das jüngste Werk des streitbaren 63jährigen hat nun die schwere Rezession Amerikas und den drohenden Bedeutungsverlust der imperialen Supermacht zum Gegenstand. Gewohnt wortgewandt geißelt Bacevich vor allem den geistig-moralischen Niedergang Amerikas als Hauptursache der Krise. Eine Ethik des Maßhaltens sei in der Vergangenheit von einer Ideologie des bloßen Konsumierens verdrängt worden, die in alle Lebensbereiche vorgedrungen sei. Auch die zunehmende Zahl militärischer Engagements – hier sieht Bacevich auch die Clinton-Regierung in einer Linie – sei nur vor diesem Hintergrund zu verstehen.

Es ist gewissermaßen der Zwang eines expandierenden Imperiums, nicht nur seine Rohstofflager zu kontrollieren, sondern sich dazu auch gleich Absatzmärkte zu schaffen, die nie gesättigt werden. Selbst als 2006 die Belastungen des Irak-Kriegs den Haushalt tief ins Defizit trieben, verfolgte die Bush-Regierung eine Politik der Konsumsteigerung: „Ich fordere Sie alle auf, noch mehr einkaufen zu gehen“, zitiert Bacevich den Ex-Präsidenten. Nicht von ungefähr durchzieht das gesamte Buch ein Rekurs auf den amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr (1892–1971), der mit drohenden Worten vor einem Niedergang Amerikas warnte, bedingt durch Verschwendungssucht und imperiale Hybris.

Neben der geistigen Verfaßtheit Amerikas widmet sich der Veteran von Vietnam- und Golfkrieg dem Zustand des Militärs, welches sich zunehmend überfordert zeigte, die Machtphantasien der Politik umzusetzen. Scharf geht das Mitglied des Council on Foreign Relations gegen die systematische Aushebelung von Schutzmechanismen an, die eigentlich ein weiteres Desaster wie den Vietnamkrieg verhindern sollten. Auch dieser Sündenfall fand bereits lange vor Georg W. Bush statt. „Wozu haben wir eigentlich dieses phantastische Militär, von dem Sie dauernd reden, wenn wir es nicht einsetzen könnten“, heißt es beispielsweise bei Clintons Außenministerin Madeleine Albright.

„Eine seltsame Allianz aus linken Gutmenschen und chauvinistischen Politikern und Intellektuellen schaffte es, alle Hemmnisse der Gewaltanwendung zu beseitigen. Das neue Schlagwort hieß jetzt ‘humanitäre Intervention’“, resümiert Bacevich. Die fatale militärische Situation wurde verstärkt durch eine militärische Führungsebene, die sich schlechterdings als inkompetent erwies. Harte Urteile fällt Bacevich, der die Armee im Rang eines Oberst verließ, über die verschiedenen Befehlshaber des amerikanischen Militärs. Er attestiert ihnen zahlreich angeführte Irrtümer nicht nur als individuelles Versagen: „Die Mängel waren Teil des Systems.“

Dabei dürfte Bacevich etwas über das Ziel hinausgeschossen haben. So will er die Verwicklung der Nato in den Balkankrieg unter amerikanischer Führung auf katastrophale Fehleinschätzungen des Oberkommandierenden, General Wesley Clark zurückführen. Jedoch dürfte die dauerhafte, massive Präsenz Amerikas an einem so neuralgischen Punkt wie dem Kosovo eher keine Verkettung unglücklicher Umstände sein.

Es sind Militärstützpunkte wie Camp Bondsteel, die wie Nadeln eines Akupunkteurs die Welt überziehen und ein potentiell höchst effizientes Netz globaler Herrschaft schaffen. Die Zukunft wird zeigen, in welchem Maße Amerikas Führung sowohl den Willen als auch die Fähigkeit hat, diese weiter auszubauen – oder ob möglicherweise eine andere Macht seine Position übernimmt und das weltumspannende ökonomische Imperium beerbt.

Andrew J. Bacevich: Grenzen der Macht. Das Ende des amerikanischen Traums? Hoffmann und Campe, Hamburg 2009, gebunden, 240 Seiten, 20 Euro

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