© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

Frisch gepresst

Korpos am Pregel. Hans-Georg Balder schickt seinem Buch über das „Korporationsleben in Königsberg“ (Studenten an der Albertina 1544 bis 1945. WJK-Verlag, Hilden 2010, gebunden, 395 Seiten, Abbildungen, 39,90) gut nietzscheanisch „unzeitgemäße Betrachtungen“ voraus. Angesichts von vierhundert Jahren Universitätsgeschichte im deutschen Osten verbietet sich für ihn der bundesdeutsche Kleinmut, der, obwohl die Politik sich doch ständig „im Fluß“ befinde, von einer „Wiederangliederung“ von einem Viertel des Reichsgebiets nichts wissen wolle, wie sie im Rahmen der „europäischen Einigung“ durchaus vorstellbar wäre. Um wenigstens erinnerungspolitisch diese Tür offenzuhalten, nimmt sich Balder der sehr vernachlässigten, erst in jüngster Zeit durch den Chirurgen Rüdiger Döhler „im Nebenamt“ heller beleuchteten Königsberger Studentengeschichte an. Und zwar über „die ganze Strecke“ seit 1544, mit deutlichem Schwerpunkt auf dem 19. und 20. Jahrhundert. Ein hartes Brot, weil die nicht eben munter sprudelnden Quellen zum Verbindungswesen an der Albertina den vordergründigen Eindruck einer bierseligen Cliquenwirtschaft vermitteln. Ein von Balder zitierter zionistischer Beobachter wundert sich 1910, wo in diesem Sumpf des Saufens und Duellierens eigentlich der Nachwuchs gediehen sei, der Deutschland als wissenschaftliche Weltmacht etabliert habe. Daß es neben dem Kneipen und Pauken aber noch die harte Arbeit in Labor und Seminar gab, war dem Zionisten Shmarya Levin gewiß. Jedoch scheint dieser Teil studentischen Lebens selten für überlieferungswürdig befunden worden zu sein, so daß sich Balders Darstellung an die „lärmenden Äußerungen“ (Levin) halten muß.      

 

Merz und Clement. In ihren Parteien wurden sie abgemeiert, der politischen Linken gelten sie als „neoliberale“ Feindbilder: Der frühere Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion Friedrich Merz und der SPD-Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement blicken mit ihrer politischen Agenda zur Lage der Parteien, Staatskapitalismus und Sozialstaat mahnend auf die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008 zurück. Da die anstehende Währungskrise vielleicht noch dramatischer und folgenreicher für unseren Staat werden könnte, erscheinen ihre Konzepte, so richtig und politisch unbequem sie auch sein mögen, wie die Warnung vor dem Zündeln mit Streichhölzern angesichts des lichterloh brennenden Hauses (Was jetzt zu tun ist. Deutschland 2.0. Herder Verlag, Freiburg 2010, gebunden, 199 Seiten, 18,95 Euro).

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