© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

Auf leisen Sohlen im Vormarsch
Amflora als Präzedenzfall: Unterschriftenkampagne fordert Zulassungsstopp für genmanipulierte Nutzpflanzen
Volker König

Kürzlich hat die Europäische Kommission die genmanipulierte Kartoffelsorte Amflora in der EU zugelassen. Damit kann sie für die Erzeugung industrieller Stärke eingesetzt werden. „Nun ist für uns der Weg frei, Amflora in diesem Jahr kommerziell anzubauen“, erklärte Peter Eckes, Geschäftsführer der BASF Plant Science. Eine Nutzung als Lebensmittel sei angeblich nicht vorgesehen. 2009 hatte BASF-Konzernchef Jürgen Hambrecht angesichts des Widerstands gegen genmanipulierte Agrarpflanzen mit einem Abzug dieser Sparte aus Deutschland gedroht, sollte Amflora nicht genehmigt werden (JF 37/09). Der Einzug der FDP in die neue Bundesregierung öffnete dann der Gentechnik-Lobby  alle Türen.

Was BASF als Erfolg feiert, läßt bei Gentechnik-Kritikern die Alarmglocken schrillen. Die EU-Kommission habe erstmals seit zwölf Jahren den Anbau genmanipulierter Nutzpflanzen bewilligt und stelle damit „den Profit der Gentech-Lobby über das Interesse der Öffentlichkeit“, kritisiert etwa die globalisierungskritische Organisation Avaaz. In aller Stille würden hiermit irreversible Fakten in Sachen Ausbringung genmanipulierter Organismen geschaffen. Und dies, obwohl die Mehrheit der Europäer der Meinung sei, daß mehr Forschung betrieben werden müsse, bevor entschieden werden kann, ob man Lebensmittel anbauen darf, die Gesundheit und Umwelt schädigen können.

Internet-Kampagne soll EU-Anfrage ermöglichen

Während die schwarz-gelbe Bundesregierung zu den stärksten Lobbyisten der Gentechnik gehört, positionieren sich in Österreich nicht nur die Grünen, sondern auch die Freiheitlichen als deren konsequente Gegner. „Die Gentechnik-Lobby hat sich in der neuen EU-Kommission personell massiv verstärkt“, warnt FPÖ-Umweltsprecher Norbert Hofer. „Man denke nur an den neuen Umweltkommissar Janez Potočnik oder den neuen Gesundheitskommissar John Dalli, die jetzt dem Gentechnik-Vorantreiber José Manuel Durão Barroso zur Seite stehen.“ Nun hätten Wissenschaftler Alarm geschlagen, weil ein geheimes EU-Papier zur Notifizierung an die Welthandelsorganisation (WTO) gegangen sei, das den Plan beschleunigter Zulassungsverfahren für genmanipulierte Organismen in Europa beinhalte.

„Es ist übler Hohn, daß so etwas nicht nur im Jahr der Biodiversität veranstaltet wird, sondern auch zu einer Zeit, da das offizielle Brüssel die Mitgliedsstaaten mit Wort-Placebos beruhigt, die die künftige Wahlfreiheit des landwirtschaftlichen Anbaus zusichern“, so der FPÖ-Politiker. Mit der Ausbringung genmanipulierter Lebewesen sei die biologische wie konventionelle Landwirtschaft de facto erledigt, und es drohe eine „Ernährungsdiktatur“ im Interesse einiger multinationaler Konzerne.

Im Gegensatz zu Attac ist Avaaz eine im Hintergrund arbeitende internationale Organisation. Sie wurde 2006 von dem Kanadier Ricken Patel gegründet und hat mittlerweile laut eigenen Angaben weltweit drei Millionen Mitglieder. Avaaz hat sich auf Internet-Petitionen spezialisiert. 2008 erreichte sie mit einer Kampagne für die Freiheitsrechte der Tibeter in der Volksrepublik China etwa 1,5 Millionen Unterschriften, die an die chinesischen Botschaften übergeben wurden.

Nun will Avaaz mit einer neu ins Leben gerufenen Initiative einer Million EU-Bürgern die Chance geben, offizielle Anfragen direkt an die EU-Kommission in Brüssel zu richten. In dem Avaaz-Aufruf an den EU-Kommissionspräsidenten Barroso heißt es: „Wir fordern Sie auf, ein Moratorium für die Einführung von genmanipulierten Nutzpflanzen in Europa zu erlassen, eine ethisch und wissenschaftlich unabhängige Forschungskommission ins Leben zu rufen, die die Auswirkungen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln untersucht, sowie strenge Auflagen zu erlassen.“ Bislang hat die gentechnikkritische Initiative bereits über 700.000 Internet-Voten von Bürgern aus allen 27 EU-Staaten zusammenbekommen. Weitere Unterschriften kann man auf der deutschsprachigen Internetseite Avaaz.org leisten.

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