© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

Machtzentrale
Goldman Sachs: Chef Blankfein vor Untersuchungsausschuß
Michael Wiesberg

Lloyd Blankfein, Vorstandschef der US-Investmentbank Goldman Sachs (GS), hat schon angenehmere Stunden verbracht: Letzte Woche mußten er und einige Mitglieder seiner Führungsmannschaft vor einem Untersuchungsausschuß des US-Senats wegen eines zweifelhaften Geschäfts Rede und Antwort stehen. Es steht das häßliche Wort „Betrug“ im Raum. GS soll, so der Vorwurf, ein Finanzprodukt mit der Bezeichnung „Abacus 2007-AC1“ verkauft und gleichzeitig auf dessen Kursverlust gewettet haben. Im Börsenjargon werden derartige Geschäfte „shorts“ genannt – Wetten auf fallende Kurse. Während die deutsche IKB und andere Banken, die dieses Produkt kauften, Millionen verloren, verdiente sich Hedge-Fonds-Manager John Paulsen, der auf Initiative oder mit Wissen von GS gegen dessen Ausfall gewettet haben soll, eine goldene Nase.

Die US-Börsenaufsicht SEC mutmaßt, daß Paulsen auf die Zusammenstellung dieses Produkts Einfluß genommen hat, was Käufern verschwiegen worden sein soll. Die Investmentgesellschaft ACA, die Abacus verwaltete, will zwar gewußt haben, daß Paulsen das Portfolio mit aussuchte, habe aber angeblich keinerlei Kenntnis darüber gehabt, daß er schließlich dagegen wetten würde. Genau in diese Kerbe schlug vorige Woche der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Senator Carl Levin, als er Blankfein mit folgender Frage festnagelte: „Sehen Sie keinen Konflikt darin, jemandem etwas zu verkaufen, um dann gegen dasselbe Wertpapier zu wetten, ohne dies dem Käufer ihres Produkt offenzulegen? Sehen Sie darin keinen Konflikt?“ Nach Meinung von Beobachtern verhielt sich Blankfein bei dieser Frage so, als wäre ihm eine derartige Sichtweise – nämlich sich in die Position des Kunden zu versetzen – völlig fremd. Levin insistierte und konnte Blankfein schließlich zu folgender Aussage bewegen: „Nein, im Kontext von Kaufmanövern zur Weckung von Nachfrage nach Wertpapieren ist das kein Konflikt.“ Wie immer diese Aussage zu bewerten sein mag: Sie zeigt zumindest, daß viele Strippenzieher der Wall Street von moralischen Prinzipien weitgehend frei handeln.

Solange sich das auf den privaten Finanzsektor beschränkt, ist es eigentlich kein Politikum. Doch zwischen der GS-Führung und der US-Politik gibt es einen regen Personalwechsel: Blankfein-Vorgänger Henry Paulson war von 2006 bis 2009 unter George W. Bush US-Finanzminister. Unter Bill Clinton war mit Robert Rubin ebenfalls ein früherer GS-Banker Chef des Department of the Treasury.

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