© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

Süleymans Traum wird vollendet
Der italienische Wissenschaftler Roberto de Mattei über die Auswirkungen eines EU- Beitritts der Türkei
Wolfgang Philipp

Die Türkei in Europa: Gewinn oder Katastrophe?“ Unter diesem Titel legt Roberto de Mattei, Professor für Geschichte in Rom, eine Arbeit vor, die für alle Europäer Pflichtlektüre sein sollte.

Die Türkei ist mit dem Islam untrennbar verbunden und von ihm beherrscht. Aus Zentralasien kommend, siedelten sich Türken in Anatolien an und erweiterten ihr Herrschaftsgebiet durch viele Kriege. Diese wurden religiös motiviert, Unterwerfung anderer Völker ist „heiliger Krieg“. Im 16. und 17. Jahrhundert wurden Teile Südosteuropas erobert, Ungarn und Belgrad unterworfen. Das Reich dehnte sich schließlich über ein Territorium von etwa sechs Millionen Quadratkilometern aus. Dem Deutschen Kaiser Leopold wurde in einer Kriegserklärung befohlen, „in Deiner Residenzstadt Wien uns zu erwarten, damit wir dort Dich köpfen können (...) und Gottes allerletztes Geschöpf, soweit es nur ein Ungläubiger ist, von der Erde verschwinden lassen“.

Soweit kam es nicht, die Türken wurden geschlagen, der Niedergang des Osmanischen Reichs begann, es bestand aber bis 1924 als Kalifat weiter. Mustafa Kemal schaffte es ab und verwandelte die Türkei in eine „laizistische Republik“, „Glaubensfreiheit“ wurde aber nur Bürgern moslemischen Glaubens zugebilligt. Atatürk betrieb ein systematisches Programm zur Ausrottung des Christentums. Im Vordergrund stand neben der Vertreibung und Ermordung der christlichen Armenier auch die Vertreibung der Griechen aus der Ägäis-Region zwischen 1916 und 1918. Auch hier wird die Zahl der Toten und Vermißten zwischen 200.000 und einer Million geschätzt. Die Türkei ist heute von Christen praktisch frei, obwohl Anatolien früher ein durch und durch christliches Land gewesen ist.

In neuerer Zeit findet eine Abwendung von den Reformen Atatürks statt, auf allen Gebieten schreitet die Islamisierung des Lebens in der Türkei fort. Das von Kemal eingerichtete Amt für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) hat eine beherrschende Funktion. Es beschäftigt 90.000 vom Staat bezahlte Imame und betreibt 85.000 aktive Moscheen. „Bruderschaften“ treiben die weltweite Ausdehnung der Scharia voran. Der Herrschaftsanspruch des Islam ist nur dem früheren Weltherrschaftsanspruch des Sozialismus vergleichbar.

Dieser Grundbefund läßt erkennen, daß letztlich die anderen Völker für die islamischen Türken als Feinde gelten, die durch List, Täuschung oder Krieg zu unterwerfen sind. Ministerpräsident Erdoğan zitierte den Dichter Ciya Gökalp wie folgt: „Die Minarette sind unsere Bajonette, die Kuppeln sind unsere Helme, die Moscheen sind unsere Kasernen und die Gläubigen sind unsere Soldaten.“ Derselbe Erdoğan bezeichnete 2008 in seiner berüchtigten Rede in Köln Assimilation von Türken als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Dieser Begriff ist im Nürnberger Prozeß von 1946 geprägt worden. Er bezeichnete als Anklagepunkt die Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten. Die Ungeheuerlichkeit, dem heutigen Deutschland eine unter diesen Begriff fallende Haltung vorzuwerfen, wurde von keinem deutschen Politiker beanstandet!

Mattei zweifelt nicht daran, daß es dem türkischen Islam darum geht, andere Völker Europas zu unterwerfen bis hin zu einem Kalifat für Europa. Integration wird von der türkischen Politik abgelehnt und führt zu Parallelgesellschaften, die in Berlin beispielsweise dadurch gekennzeichnet sind, daß die Masse der Erstkläßler aus türkischen Familien nur mangelhaft Deutsch kann. In Beantwortung der im Buchtitel gestellten Frage kommt der Verfasser, seit 2004 Vizepräsident des Consiglio Nazionale delle Ricerche (Nationaler Forschungsrat), einer dem Rang nach der deutschen Max-Planck-Gesellschaft vergleichbaren Institution, zu dem Ergebnis, daß der Beitritt der Türkei zur Europäischen Gemeinschaft eine Katastrophe wäre. Er zitiert Oral Öger, einen deutschen Europaparlamentarier türkischer Herkunft, der 2004 folgendes erklärte: „Was Sultan Süleyman mit der Belagerung Wiens 1683 begonnen hat, werden wir über die Einwohner mit unseren kräftigen Männern und gesunden Frauen verwirklichen.“ Erdoğans AKP nimmt sich nicht vor, die Türkei zu „europäisieren“, sondern Europa zu entwestlichen und zu „türkifizieren“. Das alles stellt sich nicht nur als gegenwärtige Zielsetzung einer türkischen Regierung, sondern als unheimliche Konsequenz einer Entwicklung von tausend Jahren dar. Deutlich hebt der Historiker und Publizist hervor, daß im Islam Religion und Politik untrennbar miteinander verbunden sind. Den Vorstellungen demokratischer Staaten mit Trennung von Religion und Politik läuft das zuwider.

Keine Gedanken widmet de Mattei der naheliegenden Frage, warum die europäischen Politiker die auf der Hand liegenden Gefahren ignorieren und in vielerlei Hinsicht der Eroberung der eigenen Länder durch den Islam zuarbeiten. In Teilen Berlins ist Türkisch schon fast eine zweite heimliche Amtssprache. Dieses Phänomen ist in allen europäischen Ländern zu beobachten, ganz besonders aber in Deutschland. Die Art und Weise, wie deutsche Politiker dem türkisch-islamischen Machtanspruch entgegenkommen, grenzt an Landesverrat. Deutsche Politiker aller Parteien sehen ihre Hauptaufgabe darin, sich auf internationalen Plattformen angenehm darzustellen, das eigene Volk und dessen Interessen aber zu ignorieren. Dieser Haltung aus der Mitte der Bevölkerung heraus entgegenzuwirken, wird durch das Buch erleichtert.

Roberto de Mattei: Die Türkei in Europa – Gewinn oder Katastrophe? Resch Verlag, Gräfelding 2010, broschiert, 152 Seiten, 13,90 Euro

Foto: Straßenszene in Malatya in Anatolien, Türkei: Nicht die Türkei wird „europäisiert“, sondern Europa soll „türkifiziert“ werden

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