© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Vorfreude
Karl Heinzen

Ab Mai werden 100 Soldaten aus 14 EU-Staaten, unter ihnen bis zu 20 Angehörige der Bundeswehr, in dem ugandischen Armeelager Bihanga die Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte in die Hand nehmen. Geplant sind zwei sechsmonatige Lehrgänge, die jeweils 1.000 Rekruten durchlaufen sollen. Ihr Programm verheißt Unterweisungen auf jenen Gebieten, die in der Region besonders gefragt sind: Minen- und Explosivkörperabwehr, Kampf in bebautem Gelände sowie Sanitäts- und Fernmeldewesen.

Da es einen somalischen Staat schon seit geraumer Zeit nicht mehr gibt, kann sich die EU-Initiative leider nicht der Aufgabe widmen, ein bereits bestehendes Gewaltmonopol zu festigen. Sie ist durch die Umstände vor Ort vielmehr gezwungen, für eine der zahllosen somalischen Bürgerkriegsgruppierungen Partei zu ergreifen. Die Wahl fiel auf eine sogenannte Übergangsregierung, die mangels der Chance, freie und geheime Wahlen abzuhalten, zwar noch nicht durch das Volk, aber immerhin durch die Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft legitimiert ist. Da diese Übergangsregierung derzeit nur mit Mühe und Not einen winzigen Teil des einstigen Somalia behaupten kann, ist die Aufgabe, vor der die Europäer stehen, spannend und ambitioniert.

Die Vorfreude, am Horn von Afrika an die Erfolge in der Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte anknüpfen zu dürfen, wird jedoch durch Kritiker getrübt, die auf das dramatische Scheitern vergleichbarer Programme in jüngster Zeit verweisen. So seien von den 17.000 Rekruten, die unter äthiopischer Ägide geschult wurden, 14.000 von der Fahne gegangen. Auch bei einem UN-Programm zur Ausbildung von Polizeikräften soll ein Schwund von 40 Prozent zu verzeichnen gewesen sein. Nicht wenige der Lehrgangsteilnehmer haben offenbar ihre frisch erworbenen Kenntnisse in den Dienst anderer Bürgerkriegsparteien gestellt. Auch die zunehmende Professionalisierung der Piraten ist wohl nicht unwesentlich auf derartige Ausbildungsunterstützung zurückzuführen.

Die EU sollte sich durch diese Erfahrungen gleichwohl nicht beirren lassen. Selbst wenn ihre somalischen Rekruten die Seiten wechseln, behält sie gleichwohl einen Informationsvorsprung: Sie weiß, über welche Fähigkeiten die von ihr ausgebildeten Kämpfer verfügen. Dies bliebe ihr verborgen, würde die Unterweisung in klandestinen Terrorcamps irregulärer Milizen oder Piraten in eigener Regie erfolgen. Wie oft bietet sich schon die Chance, Feinden von morgen in so großer Zahl westliches Denken nahezubringen?

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